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Pariser Kaufhauskultur des 19. Jahrhunderts: Émile Zola – Das Paradies der Damen

26.04.2022 11:02

Im vergangenen Jahr wurden von der Kurfürsten Parfümerie im Rahmen eines Preisrätsels u.a. mehrere Ausgaben von Émile Zolas „Das Paradies der Damen“ verlost. Der Roman entführt den Leser in die schillernde Welt eines mondänen Kaufhauses im Paris des 19. Jahrhunderts.

Von uns von Essenza Nobile hat das Buch zwar niemand gewonnen – Mitarbeiter der Parfümerie waren von einer Teilnahme an der Verlosung selbstverständlich ausgeschlossen. Doch das war natürlich noch lange kein Grund, das Buch nicht zu lesen. Oder gar, keine Buchbesprechung darüber zu schreiben…

Romane aus früheren Jahrhunderten sind oft mehr als bloß reine Unterhaltung – sie bieten häufig auch interessante Einblicke in das Weltbild, die gesellschaftlichen Realitäten und Lebensgewohnheiten vergangener Epochen. Und längst nicht immer stellt man dabei fest, dass „früher“ alles ganz anders war als heutzutage. Immer wieder stößt man auch auf verblüffende Parallelen zur Gegenwart – denn  manche Dinge ändern sich eben nie und ziehen sich wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte, reproduzieren sich auf die eine oder andere Weise immer wieder aufs Neue.

Der Roman „Das Paradies der Damen“ von Émile Zola nimmt uns mit auf so eine faszinierende Zeitreise – und wirft uns gleichsam mitten hinein in das quirlige, geschäftige Treiben eines Mega-Kaufhauses Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris. Sein ebenso aussagekräftiger wie verheißungsvoller Name: „Das Paradies der Damen“.

Das Paradies der Damen

Wie alles begann: Original-Manuskript von Émile Zola zu „Das Paradies der Damen“; Titelseite der französischen Erstausgabe des Romans von 1883

Riesige Einkaufszentren und Shopping-Malls sind für uns heute ein selbstverständlicher Teil der Einkaufskultur; doch im 19. Jahrhundert kam das Aufkommen großer Kaufhäuser einer wahren Revolution des Handels- und Wirtschaftslebens gleich – im Guten wie im Schlechten. Genau hiervon handelt „Das Paradies der Damen“.

Im Mittelpunkt der Handlung steht die Verkäuferin Denise Baudu, die im Alter von 20 Jahren mit ihren beiden jüngeren Brüdern aus dem nordwestfranzösischen Provinznest Valognes in die Weltmetropole Paris kommt und eine Anstellung im gerade massiv expandierenden Kaufhaus „Das Paradies der Damen“ findet. Anhand ihrer Geschichte stellt  Émile Zola sowohl die charmanten Details der damaligen Kaufhauskultur als auch deren problematischen Folgen und sozialen Rahmenbedingungen dar. Freude und Leid liegen hier dicht beieinander, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn während die Kundschaft des Kaufhauses frohlockt ob der sagenhaften Preise und einer noch nie dagewesenen, überbordenden Fülle an Stoffen, Kleidern und Waren aller Art, stehen die kleinen Geschäfte in unmittelbarer Nachbarschaft zum „Paradies der Damen“ kurz vor dem Ruin.

Les Grands Magasins du Louvre Eines der Vorbilder für „Das Paradies der Damen“: Les Grands Magasins du Louvre. Das 1855 als „Les Galeries du Louvre“ gegründete Kaufhaus glich einer Stadt in der Stadt Paris: Zu seiner Hochzeit in den 1870er Jahren hatte es mehr als 50 verschiedene Abteilungen – und beschäftigte rund 2.400 Mitarbeiter...

„Nicht konkurrenzfähig“, würde man heute wohl sagen – es tobt ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb, dessen Sieger schon von Anfang an festzustehen scheint: das ständig wachsende und ins scheinbar Unermessliche expandierende Kaufhaus von nebenan. Für die einen (die Kundinnen) ist es ein vibrierender Magnet und Quell immerwährender Freuden, für die anderen hingegen (die Inhaber der angrenzenden, alteingesessenen kleinen Läden) erscheint es wie ein immer bedrohlicher um sich greifendes Ungetüm, das sie mit seiner Gigantomanie zu zermalmen droht.

All das obendrein – fast ja schon zynisch – garniert mit dem jovial-charmanten Kaufhaus-Chef Octave Mouret; während er halb Paris (im allgemeinen) und der Pariser Damenwelt (im speziellen) galant und nach allen Regeln der Kunst den Kopf verdreht, ist er der fleischgewordene Alptraum der Pariser Geschäftsleute, das smart lächelnde Gesicht ihres Untergangs.

Und dazwischen: Die Angestellten des Kaufhaus-Giganten, deren Lebens- und Arbeitsbedingungen ebenfalls detailreich beleuchtet werden. Vom knackigen 13-Stunden-Arbeitstag und „Hire & Fire“ über minderwertiges Kantinenessen, karge Behausungen und Kleinkriege zwischen den Kaufhaus-Abteilungen – bis hin zum Geld, an dessen Ende oft noch allzu viel Monat übrig ist…

Émile Zola versteht es, das Kaufhaus aus all diesen verschiedenen Blickwinkeln darzustellen: aus dem der Kundinnen, der Angestellten – und aus der Perspektive der Inhaber der benachbarten Geschäfte. Und der Shopping-Tempel hat viele Gesichter, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Des einen Hölle ist da des anderen Himmelreich: Hier die Kundinnen, die geradezu berauscht sind von jener Welt der tausend Möglichkeiten und verlockenden Versuchungen, die ihnen das „Paradies der Damen“ tagtäglich offeriert. Da die alteingesessenen Besitzer der Läden in der Umgebung, die den Zeichen der neuen Zeit, die sich da regelrecht vor ihnen auftürmen, nichts weiter entgegenzusetzen haben als trotzigen, aber ohnmächtigen Groll. Und dort die Angestellten des Kaufhauses, die in einem eigentümlichen Spannungsverhältnis zwischen Ausgebeuteten-Elend einerseits und Faszination für die sie umgebende glamouröse Kaufhaus-Warenwelt andererseits leben, für die das „Paradies der Damen“ also irgendwie Fluch und Segen zugleich, in jedem Fall aber ihr Schicksal ist.

Paradies der Damen

Inside „Paradies der Damen“: Anprobe – und großer Andrang bei einer Verkaufsaktion im „Paradies der Damen“; Illustrationen aus einer Romanausgabe von 1906.

Und während die Inhaber der benachbarten kleinen Geschäfte immer häufiger vergebens auf Kundschaft warten und dennoch aus stolzem Trotz selbst attraktive Übernahmeangebote des „Paradies der Damen“ ablehnen, rennen beim ungeliebten Nachbarn nebenan die Kundinnen förmlich die Türen ein – und sorgen dabei für einen Tumult, als wäre ein Popstar in der Stadt:

„Endlich wurde geöffnet, und der Strom der Kunden setzte ein. Gleich in der ersten Stunde, noch ehe die dahinterliegenden Geschäftsräume sich gefüllt hatten, entstand unter dem Eingang ein solches Gedränge, dass die Polizei einschreiten musste, um den Bürgersteig für den Verkehr freizuhalten. (…) Man stieß und drängte sich, ein dichter Menschenknäuel balgte sich um die Waren.

Den ganzen Vormittag dauerte dieses Getriebe an. Gegen ein Uhr mussten die Käufer sich schon anstellen. Die Straße war von Menschen versperrt wie bei einem Volksaufstand.“

Bei Auftritten der Beatles dürfte es auch nicht viel anders zugegangen sein…

Le Bon Marché Le Bon Marché: Schon die historischen Darstellungen machen die riesigen Dimensionen des Kaufhauses deutlich. Der Stich aus dem Jahr 1887 (Bild oben) zeigt Le Bon Marché als gigantische, das Stadtbild dominierende „Kathedrale des Handels“ (Émile Zola).

All das hat sich Émile Zola nun keineswegs einfach so aus dem Füllfederhalter gesogen; der Autor stellte vor Niederschrift seines Romans vielmehr umfangreiche Studien in mehreren real existierenden Pariser Kaufhäusern an. Als Vorlage für seine Schilderungen diente, neben dem „Les Grands Magasins du Louvre“, insbesondere das Pariser Traditionskaufhaus „Le Bon Marché“.

Entsprechend wirklichkeitsnah erscheinen seine Darstellungen; Zola führt dem Leser die unterschiedlichsten Typen von Kaufhaus-Kundinnen seiner Zeit vor: Von der klassischen Schnäppchenjägerin, die immerzu auf der Jagd nach jenem Moment ist, in dem der Preis einer Ware am weitesten herabgesetzt wurde, über die chronisch kaufsüchtige Shopping-Queen, für die die kostspieligen Einkaufs-Streifzüge durch das „Paradies der Damen“ längst zur liebsten Freizeitbeschäftigung geworden sind,  bis hin zu einer gut betuchten Ladendiebin, die nicht etwa aus Not, sondern aus Kleptomanie eine ansehnliche Anzahl von Artikeln diskret in ihrer Kleidung verschwinden lässt . Aber offenbar nicht diskret genug, da sie dabei nämlich prompt erwischt wird – was niemanden mehr zu empören scheint als die ertappte Ladendiebin selbst...

Ein gesellschaftlicher Eklat! Schalten wir uns in die brisante Szene kurz ein:

„»Gnädige Frau, wir entschuldigen derartige Augenblicke der Schwäche … Allein bedenken Sie, wohin solche Selbstvergessenheit Sie führen kann! Wenn jemand bemerkt hätte, wie Sie die Spitzen in den Ärmel Ihres Mantels gleiten ließen —«

Sie unterbrach ihn entrüstet. Sie eine Diebin! Für wen hielt er sie denn? Sie war die Gräfin von Boves, ihr Gatte hoch angesehen bei Hofe!

»Ich weiß, ich weiß, gnädige Frau«, sagte Bourdoncle ruhig. »Ich habe die Ehre, Sie zu kennen; aber geben Sie vor allem die Spitzen zurück, die Sie bei sich haben. «

Sie wehrte sich noch immer, spielte die große Dame, weinte und tobte. (…) »Nehmen Sie sich in acht!« schrie sie. »Mein Mann wird Ihr Haus zu Fall bringen; er wird Rache nehmen; er wird, wenn nötig, bis zum Minister gehen!«

»Sie sind nicht vernünftiger als die anderen, gnädige Frau. Gut: dann wird man Sie eben durchsuchen.«

Émile Zola

Émile Zola: „Es war eine Kathedrale des neuzeitlichen Handels – kraftvoll und beschwingt zugleich, gerüstet zur Aufnahme eines ganzen Volkes von Kunden. (…) Es war eine ganze Welt für sich unter diesen weiten, hallenden Gewölben.“

Sie gab noch immer nicht nach, sondern sagte mit vernichtender Ruhe: »Bitte, lassen Sie mich durchsuchen. Aber Sie setzen Ihre Firma aufs Spiel, ich mache Sie darauf aufmerksam.«

Jouve holte zwei Verkäuferinnen aus der Korsettabteilung. Die beiden Männer zogen sich in ein Zimmer nebenan zurück, während die beiden Mädchen die Gräfin entkleideten.

Außer den Alençonspitzen — zwölf Meter zu je tausend Franken —, die sich im Ärmel ihres Mantels fanden, wurden in ihrem Ausschnitt noch ein Taschentuch, ein Fächer und eine Krawatte entdeckt, alles in allem Spitzen im ungefähren Wert von vierzehntausend Franken. So stahl Frau von Boves schon seit einem Jahr, das Opfer einer wahnwitzigen, unwiderstehlichen Begierde. Sie stahl nicht nur Waren in den Geschäften, sie stahl auch ihrem Gatten das Geld aus der Tasche; sie stahl, um zu stehlen, triebhaft und hemmungslos.“

Und Kleptomanie oder Shopping-Sucht sind längst nicht die einzigen von Zola beschriebenen Phänomene, die auch in der heutigen Zeit bekannt und durchaus weiterhin aktuell sind. Wollen Sie z.B. schon immer einmal wissen, wie Mobbing am Arbeitsplatz Mitte des 19. Jahrhunderts funktioniert hat? Kein bisschen anders als heutzutage, wie man von Émile Zola erfährt. Oder vielleicht haben Sie sich auch schon mal gefragt, wie wohl zur damaligen Zeit ein Vorstellungsgespräch in einem Pariser Kaufhaus abgelaufen sein mag? Zola macht den Leser zum Mäuschen, das dabei lauschen darf.

Besonders verblüffend aber wirkt es, wenn Émile Zola ausführlich die ausgeklügelten Verkaufsstrategien des cleveren Kaufhaus-Chefs Octave Mouret beschreibt. Dabei ist für den Leser (und Konsumenten) von heute so manches Déjà-vu-Erlebnis garantiert – denn die Marketingmethoden, die Zola beschreibt, sind heute vielfach noch genau dieselben wie anno dazumal; hier nur ein paar Beispiele:

„Er schuf eigene Abteilungen für Knaben und Mädchen, hielt die Mütter im Vorübergehen an, indem er den Kleinen Bilder und Ballons überreichen ließ, rote Luftballons, auf denen der Name seines Geschäftes zu lesen stand und die bald in allen Straßen für ihn Reklame machten.“

Aristide Boucicaut Aristide Boucicaut: Der französische Kaufhaus-Pionier war seit 1863 alleiniger Inhaber des „Bon Marché“ und diente Émile Zola als Vorbild für die Figur des Octave Mouret. Viele seiner innovativen Ideen finden sich auch in „Das Paradies der Damen“ wieder.

„Schließlich kam er auf den Einfall einer »Rücknahmegarantie«, ein Meisterstück der Verführungskunst. »Nehmen Sie nur«, pflegte er zu sagen; »Sie geben uns die Ware zurück, wenn Sie Ihnen nachher nicht gefällt.« Und die Kundin, die allen anderen Lockmitteln zu widerstehen wusste, fand hierin zu guter Letzt eine Entschuldigung; sie durfte sich nun jede Torheit gestatten.“

„Vor allem musste es gleich am Eingang ein Gedränge geben; die Leute auf der Straße mussten glauben, dass drinnen der reinste Aufruhr herrsche. Diese Wirkung erzielte er dadurch, dass er unter der Tür ganze Kisten und Körbe voll billiger Ramschartikel aufhäufen ließ; so wurde die Menge angelockt, sie versperrte den Zugang, und man glaubte, die Räume seien zum Brechen voll, während Sie in Wirklichkeit oft halbleer waren.“

Derart raffinierte Webe- und Verkaufstricks breitet Émile Zola in geradezu genüsslicher Ausführlichkeit und Präzision vor dem Leser aus. Man kann sich unschwer vorstellen, dass das für die Leser seiner Zeit („Au Bonheur des Dames“ erschien im Original erstmals im Jahr 1882) ziemlich revolutionär gewirkt haben muss; so genau und so unerhört detailliert zu erfahren, mit welchen durchtriebenen Methoden Kaufhäuser die Kundinnen planmäßig verführen, gezielt manipulieren – und dabei schlicht nichts dem Zufall überlassen, um sie systematisch in Kauflaune zu versetzen!

Überraschend für den Leser der Gegenwart wiederum ist es, wie hochmodern in Paris bereits Mitte des 19. Jahrhunderts der Verkauf organisiert war. Wer etwa bei „Versandhandel“ an eine Erfindung des 20. Jahrhunderts denkt, wird in Émile Zolas Roman eines Besseren belehrt:

„Vor seinem Rundgang durch das eigentliche Geschäft wollte er noch in die Versandabteilung hinauf, die mehrere Räume des zweiten Stocks einnahm. Hier liefen alle Bestellungen aus der Provinz und dem Ausland zusammen. Mouret kam jeden Morgen, um sich die Korrespondenz anzusehen. Seit zwei Jahren wuchs sie von Tag zu Tag. Ursprünglich waren hier zehn Angestellte beschäftigt gewesen, jetzt konnten dreißig nur mit Mühe die Arbeit bewältigen.“

Katalog - Les Grands Magasins du Louvre Katalogwerbung: Korsetts aus einem Katalog des Kaufhauses „Les Grands Magasins du Louvre“ (1901)

Das Pariser Kaufhaus „Le Bon Marché“ verfügte tatsächlich schon seit Mitte der 1850er Jahre über eine solche Versandabteilung – nur eben auf Basis eines Print-Kataloges anstelle eines Online-Shops á la Essenza Nobile… Apropos: Zolas fiktives Kaufhaus „Das Paradies der Damen“ hat auch eine eigene Parfümerie. Machen wir also noch einen kurzen Abstecher zu den Kollegen und schnuppern mal kurz hinein – in das Paradies der Damendüfte...

 „Schon hier verspürten die Damen die Nähe der Parfümerie; es war wie der durchdringende Duft eines Riechkissens, der das ganze Stockwerk erfüllte. Auf den mit Glas abgedeckten Tischen und den Kristallplatten der Etageren waren in langen Reihen Döschen und Flaschen mit Cremes, Puder, wohlriechenden Ölen und Essenzen aufgestellt, während die Bürsten, Kämme und Scheren ein besonderes Regal einnahmen.

Das allgemeine Entzücken galt einem in der Mitte angebrachten silbernen Springbrunnen, aus dem ein Strahl von Nelkenessenz aufstieg, der mit melodischem Geplätscher in das Metallbecken zurückfiel. Ein köstlicher Duft verbreitete sich ringsumher, und die Damen benetzten im Vorübergehen ihre Taschentücher mit der duftenden Flüssigkeit.“

Magasins du Printemps

Ein Kaufhaus kommt selten allein: Nach dem sagenhaften Erfolg von Le Bon Marché sprießten in Paris im 19. Jahrhundert weitere Warenhäuser aus dem Boden; eines davon ist das 1865 gegründete „Printemps“-Kaufhaus.

Mondäner Chic, ein luxuriöser Hauch des Besonderen und atemberaubend moderner Innovationsgeist prägen die Realität des aufstrebenden Pariser Mega-Kaufhauses ebenso wie all die kleinen und großen Tragödien, die untrennbar mit seinem Aufstieg zusammenhängen. Viele der sozialen Themen, die Émile Zola in „Das Paradies der Damen“ verarbeitet, sind dabei heute noch so aktuell wie damals – seien es die prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen des Personals, sei es der Preis, der für die auch damals schon virulente „Geiz-ist-geil“-Mentalität letztendlich von irgendwem auf dieser Erde zu bezahlen ist, oder aber die Verdrängung kleiner Händler durch riesige, marktbeherrschende Shopping-Giganten und die damit einhergehende Zerstörung der gewachsenen, traditionellen Einkaufskultur der Innenstädte.

Quasi en passant teilt Émile Zola damit eine simple, aber leider allzu gerne vergessene Wahrheit mit: Dass alles auf die eine oder andere Weise miteinander zusammenhängt – und daher kaum etwas, was wir tun oder lassen, ohne Konsequenzen für andere bleibt.

Le Bon Marché

Le Bon Marché: Das Pariser Großkaufhaus im 7. Arrondissement wurde bereits 1838 gegründet, war aber zunächst jahrelang nur ein kleines Geschäft; dies änderte sich mit dem Einstieg des Kaufhauspioniers Aristide Boucicaut im Jahr 1848, unter dessen Ägide Le Bon Marché massiv expandierte und innerhalb weniger Jahre zum ersten großen Warenhaus der Geschichte avancierte.

Mit „Das Paradies der Damen“ lebt vor unseren Augen die Kaufhaus-Kultur des 19. Jahrhunderts in Paris noch einmal neu auf; Émile Zola zeigt uns gleichermaßen ungeschminkt die Licht- und Schattenseiten jenes Phänomens, das damals noch ein neues war: das Kaufhaus. Er lüftet vor uns den Theatervorhang für all die verschiedenen Figuren und vielfältigen Charaktere, die seinerzeit ein solches Pariser Kaufhaus bevölkerten: von schrulligen Kundinnen und tratschendem Personal über die gestrenge Direktrice der Konfektionsabteilung oder den wichtigtuerisch umherstolzierenden Inspektor bis hin zum charismatischen Kaufhaus-Chef selbst, der Tag um Tag das „Paradies der Damen“ dirigiert wie ein großes Sinfonieorchester – ein Herbert von Karajan des Verkaufens, der aus dem instinktsicheren Spiel mit den verborgenen Begierden, Eitelkeiten und Leidenschaften seiner Kundinnen längst eine eigene Kunstform gemacht hat.

Und selbstredend versäumt es Zola auch nicht, das ewig große Thema aller Epochen auf die Bühne seiner Erzählung zu bringen: die Liebe! Die in einem Roman, der mitten in der „ville de l’amour“ Paris spielt, natürlich keinesfalls fehlen darf – und auch in Zolas „Paradies der Damen“ nicht zu kurz kommt...

Le Bon Marché

Nobles Interieur: Blick ins Innere des Kaufhauses Le Bon Marché (um 1900)


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