Was haben die Queen, Madonna, Jacqueline Kennedy, Tony Blair, Sting und Billy Joel gemeinsam? Sie alle hatten bereits das Vergnügen, ihre Nasen von einem Mann verwöhnen zu lassen, der auf den klangvollen Namen Lorenzo Villoresi hört. Der Parfümeur aus der italienischen Parfum-Hauptstadt Florenz wird nicht nur unter den A-Prominenten dieser Welt als Geheimtipp gehandelt – auch bei Essenza Nobile erfreuen sich seine feinen Duftkompositionen großer Beliebtheit.

Was ist das Geheimnis der ungewöhnlichen Erfolgsgeschichte dieses Mannes, der zuerst Philosophie studierte und dann als Meisterparfümeur die Rolle seines Lebens fand? Im Interview mit Essenza Nobile gewährt Lorenzo Villoresi ebenso seltene wie interessante Einblicke hinter die Kulissen seines legendären florentinischen Parfum-Ateliers

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Essenza Nobile: Signore Villoresi, Sie sind sehr bekannt für Ihre maßgefertigten Parfums. Können Sie uns sagen, wie Sie verfahren, wenn Sie so einen Signatur-Duft kreieren? Welche Informationen sind für Sie wichtig, um die passenden Ingredienzien auszuwählen, um das perfekte Parfum für eine Person herzustellen?

Lorenzo Villoresi: Es gibt da keine festgelegte Prozedur. Ich versuche, auf die Wünsche und Bedürfnisse zu hören, die von dem Kunden geäußert werden, und diese in Duft-Kompositionen zu „übersetzen“. Wir sprechen dabei häufig über Kindheitserinnerungen, da die meisten unserer Duft-Vorlieben stark mit Düften und Gerüchen verbunden sind, die zu den ersten Jahren unseres Lebens gehören.

Die „Anproben“ werden dann während der Sitzungen gemacht. Es ist ein sehr interaktiver Prozess. Wann immer ich eine Zutat in die Mischung hinzugebe, frage ich den Kunden/die Kundin, ob er/sie die Ingredienz für sich alleine mag und die Art, wie sie mit der Melange zusammenspielt. Und natürlich können sie die Mischung zu jedem Zeitpunkt auf ihrer Haut ausprobieren.

Am Ende der Sitzung bereite ich dann das erste Fläschchen mit dem neuen Duft zu und der Kunde/die Kundin nimmt es mit zu sich nach Hause.

Essenza Nobile: Wie würde wohl so ein maßgeschneiderter Duft riechen, der… zum Beispiel für Lorenzo Villoresi gemacht wurde? Tragen Sie eigentlich Ihr eigenes, selbst-komponiertes Signatur-Parfum?

Lorenzo Villoresi: Ich trage normalerweise meinen Duft „Uomo“ in Parfum-Konzentration. Das ist ein klassischer Herrenduft mit Bergamotten- und Zitrus-Kopfnoten, Frisch-würzigen Herz- und herb-holzigen Basisnoten. Aber da ich jeden Tag mit Essenzen arbeite, endet dies oft letztlich damit, dass ich unfreiwillig eine Mixtur aus vielen verschiedenen Düften „trage“.

Willkommen im Düfte-Himmel: Lorenzo Villoresis Atelier
Essenza Nobile: Ursprünglich haben Sie ja Antike Philosophie studiert. Wie gerät eigentlich ein Philosoph in die Parfumbranche? Was war die „Initialzündung“ für Ihre Entscheidung, Parfümeur zu werden?

Lorenzo Villoresi: Schon als kleiner Junge war ich fasziniert vom Duft bestimmter Pflanzen, wie etwa Lorbeerblättern oder mit der Hand zerriebenen Mohnblüten. Als ich erwachsen war, war ich während der Achtziger Jahre oft in Nordafrika, speziell in Ägypten, wohin ich 1981 zum ersten Mal gereist bin. Aber auch in Marokko und Sudan. Dort entdeckte ich die Welt der Parfums, Gewürze und Essenzen und begann, sie der Familie und Freunden nach Hause mitzubringen. Dann fing ich an, zu experimentieren, Mixturen aus Essenzen, aus Kräutern und Gewürzen herzustellen, und auch aus ihnen allen zusammen; so sammelte ich immer mehr Essenzen und Aromaten, Räucherwerk und Pflanzen von überall her. Das ging so über neun oder zehn Jahre hinweg immer weiter, ich lernte dabei zusehends mehr, machte Versuche und Experimente, und versuchte, verschiedene Nachfragen von Leuten zu erfüllen. Schließlich wurde ich Ende 1989 von den Fendi-Schwestern kontaktiert, über den Freund von einem Freund. Sie beauftragten mich, für sich ein Potpourri zu kreieren, einige Raumdüfte und Duftkerzen. So fing es an… das Hobby wurde zur Passion – und später dann zu einer Profession…

Essenza Nobile: Sind Ihre Kenntnisse in Philosophie nützlich für die Kreation Ihrer Parfums? Gibt es Parallelen oder Schnittstellen zwischen diesen beiden scheinbar unterschiedlichen Welten?

Lorenzo Villoresi: Philosophen und Parfümeure haben gemeinsam, dass sie nach der „Essenz“ der Dinge suchen: Sie haben keine Furcht davor, sich tief in Gefühle, Konzepte und Ideen hineinzubegeben, um ihr wahres Wesen zu ergründen. Abgesehen davon ist mein Studium alter Kulturen und Religionen aber auch eine wichtige Inspirationsquelle sowohl für die Komposition als auch für die Namen der Düfte. So war beispielsweise „Dilmun“ das Paradies der alten Mesopotamier, der Ort, an dem die Sonne aufgeht und wo sich die sumerische Schöpfungsgeschichte ereignete. Oder „Alamut“, was eine mythische orientalische Festung ist, in der sich schöne Gärten mit Blumen und Gewürzen befinden. Oder aber „Iperborea“, der von den legendären Hyperboräern inspiriert wurde, ein mythisches Volk, das auf einer schönen Insel jenseits der Nordwinde lebte und dort niemals endende Jugend und Glück genoss.

Essenza Nobile: Bislang waren Sie ja ein strikter „Independent”-Parfümeur und kreierten Parfums nur unter Ihrem eigenen Namen. Im Januar 2013 wurde nun aber Ihr erster Duft von Gucci lanciert. Soviel ich weiß, ist Guccis „Forever Now“ das erste Parfum, das von Ihnen für eines der großen Dufthäuser kreiert wurde. Stellt dies einen grundsätzlichen Richtungswechsel dar – oder war das eher ein außerordentliches Experiment, so etwas wie ein Abstecher in neue Gefilde?

Lorenzo Villoresi: Es war mehr so etwas wie ein Abstecher in neue Gefilde, um den von Ihnen gewählten Ausdruck zu gebrauchen. Frau Frida Giannini, Kreativdirektorin von Gucci, wollte einen Duft verwirklichen, der von der Gucci-Identität erzählt. Diese besteht aus Tradition und Modernität, Handwerkskunst und Kreativität – und sie ist stark verbunden mit der Stadt Florenz. Die Idee, mich damit zu beauftragen, ihren neuen Duft zu kreieren, hatte Bezug zu all diesen Affinitäten. Es war ein herausforderndes und aufregendes Projekt – und ich bin äußerst zufrieden mit dem Ergebnis.
Paradies für Parfümeure: Italiens malerische Parfum-Hauptstadt Florenz
Essenza Nobile: Ihr Laboratorium ist in einem altehrwürdigen Palazzo in der Via de‘ Bardi beheimatet, einer der nobelsten Straßen von Florenz. Können Sie beschreiben, wie Ihr Atelier riecht? Welche Arten von Düften sind es, die da in der Luft liegen und die Besucher begrüßen, wenn sie hereinkommen?

Lorenzo Villoresi: Es ist ein eigenartiges Phänomen: Wir verwenden alle Sorten von Aromastoffen, von den zartesten Blumen über die süßesten Früchte bis hin zu den kräftigsten holzigen oder animalischen Noten. Der Geruch in dem Studio sollte somit eigentlich in einer unangenehmen Kakophonie disharmonischer Düfte bestehen. Ganz im Gegenteil ist es aber recht angenehm und harmonisch… und obwohl unser Studio nicht ganz einfach zu finden ist, finden uns die Leute, indem sie einfach der Duft-Spur folgen…!

Essenza Nobile: Florenz hat eine lange Tradition in der Parfumherstellung, verbunden mit der Famiglia de‘ Medici und alten Apotheken wie etwa der Farmacia di Santa Maria Novella oder der Farmacia SS. Annunziata. Heutzutage findet sogar eine der bedeutendsten Messen der Parfumindustrie, die „Pitti Fragranze“, alljährlich in Florenz statt. Florenz scheint in Italien ja der ideale Ort für ein Dasein als Parfümeur zu sein…?

Lorenzo Villoresi: Der Name Florenz ist verbunden mit Schönheit, Künsten, Tradition, Renaissance, Kultur, Vornehmheit, schöner Landschaft, gutem Essen und exzellentem Wein. Kurz gesagt, mit allem, was angenehm ist und es wert ist, ausprobiert zu werden – einschließlich Düften. Des Weiteren gibt es die Tradition der „Speziali“ (Apotheker – Alchemisten – Parfümeure), die bis auf das Mittelalter zurückgeht; somit ist es keine Überraschung, dass Florenz zu einer Art Hauptstadt des Parfümeriewesens geworden ist.

Aus meiner persönlichen Sicht hat es noch einen weiteren Vorteil, in Florenz zu sein: Ich mag es, für meine Kollektionen optionale Spezial-Verpackungen mit Sterling-Silber, Kristall, Alabaster und Leder zu kreieren; in Florenz haben wir noch Handwerker, die es verstehen, mit diesen edlen Materialien zu arbeiten – und die dabei wahre Meisterwerke erschaffen.

Essenza Nobile: Würden Sie sagen, dass Florenz ein besonders inspirierender Ort ist, um Düfte zu kreieren?

Lorenzo Villoresi: Jeden Tag von solcher Schönheit umgeben zu sein und von den Fenstern meines Studios aus die Harmonie und die perfekten Proportionen der Renaissance-Architektur zu betrachten hat mich sicherlich darin geschult, in all meinen Kreationen nach Schönheit und Harmonie zu streben, auch wenn meine Düfte, ihre Themen und Inspirationen nicht speziell mit Florenz verbunden sind. Auf jeden Fall war das Florenz des 15. und 16. Jahrhunderts ein sehr „internationaler“ und kosmopolitischer Ort…

Essenza Nobile: Ebenfalls in Florenz haben Sie eine “Akademie der Parfum-Kunst“ gegründet. Für wen ist die gedacht und was hat es damit auf sich?

Lorenzo Villoresi: Es wird nicht einfach bloß eine Schule sein. Es soll ein Zentrum werden, das der Parfümerie-Kunst gewidmet ist, mit vielen verschiedenen Aktivitäten, Kursen, Seminaren, Workshops, speziellen Aktionen für Kinder, einem aromatischen Garten, einem Laden und einem „Museum der Düfte“. Ein Ort, an dem alle Menschen, die sich für die Welt der Düfte interessieren, sei es geschäftlich oder aus Muße, etwas Interessantes zu lernen oder zu entdecken finden werden.

„Jeden Tag von solcher Schönheit umgeben...“: Florenz am Abend

Essenza Nobile: Man erzählt sich, dass der frühere Premierminister Großbritanniens, Tony Blair, einmal mit seiner Frau Cherie in Ihrem Atelier ein Geschenk für die britische Königin ausgesucht habe. Darf man fragen, was für ein Geschenk sie ausgewählt haben – und wissen Sie, ob es der Queen gefallen hat? Erhielten Sie ein Feedback aus Downing Street Nr. 10 – oder gar aus dem Buckingham Palast? Oder ist das ein Staatsgeheimnis? (lacht)

Lorenzo Villoresi: Sie kauften ein Geschenk für Ihre Majestät, namentlich eine große Travertin-Marmor-Schale, gefüllt mit unserem „Piper Nigrum“-Potpourri. Leider wissen wir nicht, ob es der Queen gefiel… die MI5 und Scotland Yard würden nicht zulassen, dass es die Welt erfährt!

Essenza Nobile: Auf jeden Fall scheint Ihr Atelier ja ein regelrechter Magnet für Prominente zu sein: Politiker, arabische Prinzessinnen, Schauspieler, Rockstars, Filmregisseure und Schriftsteller haben es bislang schon besucht. Wir kennen sogar einige Namen, wie etwa Jacqueline Kennedy, Sting oder Linda Evangelista. Haben Sie vielleicht gerade eine denkwürdige Anekdote über sie auf Lager?

Lorenzo Villoresi: Leider hat Frau Kennedy unser Atelier nicht persönlich besucht, aber es stimmt, dass sie regelmäßig unsere Düfte bei Fortnum & Mason in London gekauft hat. Sting und seine Frau Trudy Styler kamen hierher, um ein Geburtstagsgeschenk für Madonna zu kaufen. Ebenso schauten auch Ridley Scott und Thomas Harris bei uns vorbei.

Es gibt eine kleine Anekdote, die ich gerne mit Ihren Leserinnen und Lesern teilen möchte: Vor wenigen Jahren saß ich in meinem Studio zusammen mit einem japanischen Kunden. Die Türglocke klingelte. Mein Assistent öffnete die Tür einem netten Paar mit ihrer Tochter. Er begleitete sie zu unserer Lounge, um auf mich zu warten. Der japanische Gentleman, der bei mir war, wurde mit einem Mal sehr aufgeregt und sagte, er habe gerade Billy Joel gesehen, sein Idol. Ich konnte es nicht glauben und dachte, er bilde sich nur ein, den Sänger gesehen zu haben; doch in dem Moment hörten wir, dass der Mann in dem anderen Raum damit begonnen hatte, Klavier zu spielen. Und es war tatsächlich Billy Joel! (Am Rande bemerkt muss ich zugeben, dass das Klavier ziemlich verstimmt war, und das war ein wenig peinlich).

Essenza Nobile: „Mare Nostrum” ist der Name Ihrer jüngsten Parfumlinie, die sich speziell mediterranen Themen widmet. Der erste Duft der Linie heißt „Aura Maris“. Können Sie uns zum Schluss noch ein bisschen mehr darüber verraten, welchen Geniestreich man als nächstes von Lorenzo Villoresi erwarten darf… oder über das aktuelle Projekt, an dem Sie gerade arbeiten?

Lorenzo Villoresi: Wir arbeiten derzeit an zwei verschiedenen Projekten: Eines davon ist ein holzig-orientalischer Duft für den Herbst; das andere ist der zweite Duft der „Mare Nostrum“-Linie. Wir können noch nicht mehr darüber sagen, da sich beide Düfte noch im Prozess der Vollendung befinden und die Namen noch bestimmt werden müssen…
Lorenzo Villoresi