Parfum Kurs Teil 10: Warum ausgerechnet Parfum?

01.04.2021 08:11

Warum ausgerechnet Parfum?

Der ein oder andere Duftliebhaber hatte und hat seine liebe Mühe, seine Leidenschaft vor Anderen und auch vor sich selbst zu rechtfertigen. Trivial, oberflächlich, dünkelhaft, teuer… das sind nur ein paar der Vorurteile, die dem Duftliebhaber entgegenschlagen – das Sammeln von Düften scheint in der gleichen Schublade untergebracht zu sein, in der auch das Interesse an edlen Weinen, außergewöhnlichen Zigarren oder Modelleisenbahnen angesiedelt ist – ein ungerechtfertigtes, aber sehr verbreitetes Missverständnis.

Warum also ausgerechnet Parfum? Hier ein paar gute Gründe, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Kunst: Das Parfumeurshandwerk ist eine Kunstform. Wenn Sie sich für Parfums begeistern, haben Sie wahrscheinlich auch für andere Bereiche etwas übrig, in denen Ästhetik, Visionen, Emotionen, Fantasie eine Rolle spielen – etwa Mode, Musik, Literatur… Denn letztlich haben alle Kunstformen, seien es Architektur, Malerei, Tanz, oder Musik, etwas mit Schönheit zu tun – im physischen, aber auch in einem spirituellen Sinn. Wer Parfums einen geringeren künstlerischen Wert zuspricht als anderen künstlerischen Erzeugnissen und das mit seiner Zugänglichkeit für ein breites Publikum und seiner Konsumierbarkeit begründet, ist ohne Zweifel im Irrtum – Vergänglichkeit oder Dauerhaftigkeit kann schließlich kein Gradmesser für den künstlerischen Wert eines Artefakts sein. In den legendärsten Düften der Welt steckt so viel Leidenschaft und Herzblut wie in den Symphonien eines begnadeten Komponisten. Poetisch gesprochen kann alles Kunst sein, was unsere Seele berührt und Emotionen weckt.

Sinnlichkeit: Die Parfumeurskunst ist die einzige Kunstform, bei der das fertige Erzeugnis für den direkten Kontakt mit der menschlichen Haut gedacht ist – und so alle Sinne, nicht nur die physischen, berührt. Vergessen Sie nicht, wir Menschen sind lebendige Wesen – unsere Körper produzieren ihre eigenen Aromen, von Person zu Person verschieden, und durch die Zuhilfenahme von Düften können wir unseren ganz eigenen Geruch akzentuieren, betonen, unterstreichen – und auf diese Art natürlich auch Signale an das andere (oder eigene) Geschlecht senden. Düfte sind im wörtlichen Sinn ein sinnliches Erlebnis – sie können uns helfen, uns unserer Körperlichkeit und unserer anderen Sinne (über den Geruchssinn hinaus) bewusst zu werden. Ein ganzheitliches sinnliches Erlebnis findet nie isoliert statt – denken Sie an den Genuss eines wundervollen Weines, ein zauberhaftes Musikstück, ein sanftes Streicheln auf der Haut…

Verdichtete Erinnerung: Bestimmt ist Ihnen das schon passiert – eine Geruchswahrnehmung, wie aus dem Nichts, katapultiert Sie in eine andere Zeit, an einen anderen Ort. Gerüche aus Ihrer Kindheit versetzen Sie im Handumdrehen und ohne, dass Sie sich wehren können, an einen Ort aus Ihrer Erinnerung. Tatsächlich sind unsere Erinnerungen so eng mit Gerüchen verknüpft wie mit kaum einer anderen Sinneswahrnehmung – die Geruchswahrnehmung ist unmittelbar und körperlich und wirkt direkt auf unser Unterbewusstsein. Denken Sie nur daran, was Proust in „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ über Lindenblütentee und Madeleines schreibt… Allein der Geruch erinnert ihn an die Zeit seiner Kindheit. Alleine die Aussicht, einen Duft zu finden, der in uns die Erinnerung an Liebe und Geborgenheit wachruft, sollte also Grund genug für eine intensive Beschäftigung mit Düften sein.

Schließen wir mit den Worten Marcel Prousts, der es treffend wie kein Anderer ausgedrückt hat: Düfte seien ‚that last and best reserve of the past, the one which when all out tears have run dry, can make us cry again!“


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