"Cherchez l´homme": der Mann und kreative Kopf hinter JULIETTE HAS A GUN im Interview mit Essenza Nobile.
Mal ehrlich: diesem Mann wurde der Sinn für Edles und Schönes doch förmlich in die Wiege gelegt. Seine Urgroßmutter – Nina Ricci, die Grande Dame der Pariser Haute Couture. Sein Großvater – Robert Ricci, der ganzen Frauengenerationen die Parfumlegende ”L’air du Temps” schenkte. Wie hätte da aus Romano Ricci nicht der Schöpfer des Damenparfum-Kultlabels Juliette Has a Gun, sondern – sagen wir einmal... ein Formel-1-Rennfahrer werden können? Einer jener PS- und Geschwindigkeit-Junkies, die zumeist nur von einem Duft umweht werden – Kopfnote: Benzin. Herznote: Motorenöl. Basisnote: Reifengummi! Meisterlich abgerundet mit einem sinnlichen Hauch glühenden Asphalts...
Obwohl: so hätte es durchaus auch kommen können, wie sich in unserem Interview mit einem überaus sympathischen und gut aufgelegten Romano Ricci schnell herausstellt. Doch alles der Reihe nach...
Essenza Nobile: Ich habe mal gelesen, dass Sie ursprünglich Rennfahrer in der Formel Eins werden wollten. Sie sollen sogar schon erste Rennfahrerfolge gehabt haben. Wann und warum haben Sie diese Laufbahn dann abgebrochen, und das Metier gewechselt?
Romano Ricci: Ich war ziemlich jung, und wie es in diesem Alter eben immer so ist, machst du unwiderstehlich das genaue Gegenteil von dem, was von dir erwartet wird. Die Rennfahrerei ist eine Leidenschaft, und ich dachte, mein Traum sei es, ein Rennfahrer zu werden. Aber im Alter von 22 kam ich zurück zur Parfümherstellung, weil das in meinen Genen liegt, und ich merkte, dass das meine Art ist, mich selbst auszudrücken.
Essenza Nobile: Wären Sie nicht ins Parfumfach gewechselt - stünde dann womöglich statt Kimi Räikkönen, Lewis Hamilton oder Jenson Button Romano Ricci auf dem Siegertreppchen?
Romano Ricci: Wir fuhren sogar Rennen gegeneinander in den niedrigeren Kategorien (Formula Renault, Formel 3). Aber ich muss zugeben dass sie – auch wenn wir in der Performance recht nah beieinander waren – einiges an zusätzlichem Talent hatten, das den Unterschied ausmacht, und das es ihnen erlaubte, eine Karriere in der Formel 1 aufzubauen.
Essenza Nobile: Haben Sie diesen Jugendtraum, Rennfahrer zu sein, völlig aufgegeben? Oder träumen Sie manchmal noch davon, von Benzin- und Motorenöl- statt Rosenduft umgeben zu sein?
Romano Ricci: Ich fahre noch immer Autorennen, ein oder zwei Mal pro Jahr, aber nun ist klar dass das nur rein zum Vergnügen ist.
Essenza Nobile: "Rosenduft" war ein gutes Stichwort zu meiner nächsten Frage: Bislang war Juliette has a Gun ja stark mit dem Rosenthema assoziiert. Nun haben sie mit "Calamity J." einen Duft aus der Taufe gehoben, der überraschender Weise mit Rosen überhaupt nichts zu tun hat. Haben Sie sich bewusst von der Rose als bisherigem Zentrum des Juliette has a Gun-Düfteuniversums abgewandt? Oder wird die Rose bei der nächsten Duftkreation (erscheint voraussichtlich im Spätsommer 2010, Anm. d. Red.) ein fulminantes Comeback feiern?
Romano Ricci: Ich habe immer gerne Regeln und Trends zuwider gehandelt, und als Schöpfer einer Nischenmarke bin ich frei. Als ich vor wenigen Jahren damit angefangen habe an Juliettes Parfums zu arbeiten, galt Rosenessenz als altmodisch; das war der Grund, warum ich das Image dieses edlen Rohstoffes in einer modernen Art und Weise re-interpretieren wollte. Doch dann, ganz plötzlich, wurde Rosenessenz zum Trend! Da es nun gewiss nicht die Rolle von Nischenmarken ist, Mainstream-Trends zu folgen, sondern vielmehr, diese zu antizipieren, musste ich mit anderen Rohstoffen arbeiten, die ebenso nobel und interessant sind wie Rosenessenz.
"Ich habe immer gerne Regeln und Trends zuwider gehandelt - und als Schöpfer einer Nischenmarke bin ich frei"...
Essenza Nobile: Welche Bedeutung hat die Rose für Sie?
Romano Ricci: Eine wilde Ingredienz, da man sie in sehr unterschiedlichen Arten interpretieren kann: Sie kann frisch, schwer, würzig, fruchtig, klassisch, modern, süß sein... wie die verschiedenen Facetten von Frauen!
Essenza Nobile: Mit Calamity J. haben Sie den "ersten maskulinen Duft für Frauen" präsentiert. Wie kamen Sie auf die Idee, dass die Zeit reif ist für einen Damenduft mit "maskulinen" Untertönen?
Romano Ricci: Als mir bewusst wurde, welche Attraktion männliche Identitäten und Accessoires auf Frauen ausüben. Das ist eigentlich eine interessante Tatsache. Ganz so, als ob sie Männer herausforderten... als ob sie versuchten zu sagen: “wir sind stärker als ihr”. Und eigentlich, so finde ich, sind sie es auch...
Essenza Nobile: Sie kommen aus einer Familie mit einer großen Tradition in Couture und Duft. Ihre Urgroßmutter war die Designerin Nina Ricci, Gründerin des gleichnamigen französischen Modehauses. Ihr Großvater Robert Ricci kreierte die Parfumlegende L’Air du Temps. Ihre Eltern scheinen die Traditionslinie der Familie kurzzeitig unterbrochen zu haben, mit Ihnen geht sie nun weiter. Meinen Sie, es gibt vielleicht sowas wie ein Ricci-Couture-und-Duft-Gen, das da einfach eine Generation übersprungen hat? Oder wie ist es zu erklären, dass Sie nun da weitermachen, wo Ihr Großvater aufgehört hat?
Romano Ricci: Ich glaube fest daran, dass mir die Parfümherstellung in den Genen liegt, und ich nutze sie, um meine Gefühle auszudrücken. Ich stand meinem Großvater sehr nahe, der mir seine Leidenschaft übermittelt hat, und heutzutage weiß ich diese meine Chance wirklich zu schätzen. Ich weiß nicht, warum dieses Gen eine Generation übersprungen hat - vielleicht ist es wie Zwillinge zu bekommen, was ja auch eine Generation überspringt!
Essenza Nobile: Sie haben an anderer Stelle einmal gesagt, dass Sie glauben, dass Ihr Großvater nicht einverstanden wäre mit dem, was Sie mit Juliette has a Gun machen, da er ein anderes, weit "unschuldigeres" Frauenbild hatte als das "Girl-Power"- und "Rock & Eleganz"-Konzept, mit dem Juliette has a Gun spielt. Ist Juliette has a Gun somit also nicht bloß Fortsetzung der Familientradition - sondern in gewisser Weise auch ein Bruch damit, oder Ihre ganz persönliche Emanzipation davon?
Romano Ricci: Definitiv, es ist mein eigenes Projekt, meine eigene Vision und Interpretation der modernen Frau. Natürlich wäre es zu meines Großvaters Zeiten unmöglich gewesen, über die “Frau mit Waffe” zu sprechen, und es würde ihn wahrscheinlich würgen, von dieser Art von Konzept zu hören – aber du musst in deiner Zeit leben! Heutzutage fordern Frauen es ein, und sind stolz darauf! Meine Rolle ist es, das zu verstehen.
Essenza Nobile: Ihre aktuelle Duftkreation - Calamity J. - ist nach Calamity Jane benannt, einer Revolverheldin aus dem "Wilden Westen". Sind bewaffnete Frauen, die sich zu wehren wissen, für Sie besonders sexy, erotisch, anziehend - romantisch, gar?
Romano Ricci: Sexy, erotisch, attraktiv – selbstverständlich! Aber auf eine mehr natürliche Weise. Ich sehe sie nicht sehr abgehoben, sie verführt anders, mit anderen Qualitäten als dem Aussehen.
Essenza Nobile: Die "moderne Juliette", die zurückschlägt, sich nichts mehr vorschreiben und gefallen lässt, ist die Ikone von Juliette has a Gun. Ist Juliette has a Gun in gewissem Sinne also ein feministisches Parfum - ein Parfum "mit Botschaft"? Oder, anders gefragt: sind Sie ein männlicher Düfte-Feminist, gut getarnt als Parfum-Dandy?
Romano Ricci: Natürlich transportiert die gesamte Marke eine Botschaft! Es ist nicht eine “feministische” Botschaft, es ist eine andere Art, Frauen zu ehren – ein Parfum, das sie sich stärker fühlen lässt, und stolz auf ihre Weiblichkeit.
"Ich glaube fest daran, dass mir die Parfümherstellung in den Genen liegt, und ich nutze sie, um meine Gefühle auszudrücken"...
Essenza Nobile: Was ist eigentlich zuerst da: die Inspiration für den Duft - oder das Bild einer Frau, die ihn tragen wird? Wird der Duft also in Hinblick auf einen bestimmten Typ Frau komponiert - oder wird zuerst ein Duft kreiert, der dann später einem bestimmten Charakterbild zugeordnet wird?
Romano Ricci: Ich denke zuerst an einen Frauentyp und stelle mir dann vor, welche Art von Parfum perfekt passen würde. Wonach ich sie duften lassen möchte ist die Hauptfrage. Was ich tue ist sehr persönlich.
Essenza Nobile: Was für eine Persönlichkeit ist die typische Trägerin von Juliette has a Gun-Düften Ihrer Meinung nach? Und wie und was ist sie nicht?
Romano Ricci: Ich kreiere immer, um eine bestimmte Persönlichkeit zu beschreiben, um ihr dabei zu helfen, sich so wohl zu fühlen, wie sie wirklich ist. Gleichwohl weicht es sehr oft von der ursprünglichen Intention ab. So ist das eben nunmal. Das Wesentliche ist, dass die typische Trägerin von Juliette sich in dem Duft wieder erkennt.
Essenza Nobile: Romano Ricci, es war uns ein Vergnügen. Wir danken Ihnen, dass Sie sich für uns und dieses Gespräch Zeit genommen haben, und warten nun sehr gespannt auf den fünften Duft von Juliette has a Gun!
Romano Ricci: Ich danke Euch vielmals für Euer interessantes interview. Wenn Interviews doch nur immer so wären...