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Selbstgemachte Seifen & Düfte und das Geheimnis guter Rasuren: Erik Kormann im Interview

12.04.2022 16:11

Mit meinem ersten Interview für Essenza Nobile möchte ein wenig Platz für eine Gattung Mensch schaffen, welcher im Beauty und Hautpflege – Segment oftmals zu wenig Beachtung eingeräumt wird: dem Mann. So -zumindest- war es eigentlich einmal geplant, doch bei einem so großartigen Interviewgast wurden diese Pläne schnell angepasst und auch das große Thema der Duftkreation und Seifenherstellung kamen hinzu und ergänzten die Themen Rasur und Herrenpflege wunderbar. Mein Gast hierzu ist ein Ansprechpartner wie er kaum kompetenter sein könnte. Ein Mensch, der in dieser Themenwelt eine gewisse Expertise vorweisen kann. Erik Kormann, Betreiber des aromatischen Blogs, des 1000 & 1 Seife – Shops (+ Blogs), sowie Erfinder der Schokobade – einer einzigartigen Schokoladentafel zum Baden. Bei solch vielfältigen Talenten kann man als Interviewer schon einmal durcheinander geraten, weshalb ich den Einstieg in das Interview gleich einmal mit einem ordentlichen Faux Pas begonnen habe… Aber: Zu Fehlern muss man stehen, deshalb dürfen Sie nun ein Interview lesen, welches unzensiert ist und gelegentlich auch provokante Antworten enthält, weshalb es gleich noch mal so viel Freude beim Lesen bereitet. Viel Spaß!

Essenza Nobile:

Vor langer Zeit habe ich ein Pröbchen von deinem ersten kommerziellen Duft erhalten. "Worship me" war der Name, wenn ich mich recht erinnere und ich war sofort verzaubert davon. Er erinnerte mich entfernt an den Duft "Let Me Play The Lion" von Isabelle Doyen. Wie kam es dazu? Erzähle uns doch einmal die Entstehungsgeschichte des Duftes. Es wäre interessant eine solche einmal ausnahmsweise in gänzlicher Abwesenheit der üblichen - leider oftmals doch recht kitschigen - Evokationsorgien zu lesen.

Erik Kormann:

Erik Kormann

Erik Kormann "baut" nicht nur Seifen und Parfums selbst...

Gerne will ich deine erste Frage beantworten, weil sich auf diesem Wege vielleicht auch ein kleines Mißverständnis klären lässt; zumal ich befürchte, dass hier eine kleine Verwechslung vorliegt.
Worship me ist der erste und im Moment einzige Duft von Stephan Lindner (http://perfume.twoday.net) Stephan ist ein guter Freund von mir und ich kann mir sogar einen winzigen Teil der Entstehungsgeschichte – nämlich meine Leidenschaft zu Koriander – auch zugute schreiben. Doch den Duft selber habe ich nicht gemacht. Interessant finde ich deine gedankliche Verknüpfung des Duftes mit dem Let me play the Lion von LesNez (Isabelle Doyen). Stephans Duft ist in der Hauptsache eine kräftige Koriandernote - und zwar so viel davon, dass man mit Fug und Recht von einer maßlosen Übertreibung sprechen kann – die mit einem wunderbar zarten und liebevollen Veilchen kombiniert wurde. Koriander und Veilchen. Das Let me play the Lion dagegen ist ein klar gezeichneter Zeder/ Vetyverduft, welcher mit einer frischen Zitrusnote begrüßt, würzig mit Piment untermahlt in einem samtigen Amber- und Weihrauchfond ausklingt. Die dezente Vanille, typischer Bestandteil von Ambre-Noten, ist traumhaft in den Duft eingearbeitet. Keine Spur zu süß. Da kann man mal sehen, wie unterschiedlich die Empfindungen sind und sein können. Sehr interessant. Aber ich muß an dieser Stelle kurz zurückfragen, ob Du nicht lieber mit Stephan sprechen wolltest?

Meine Düfte sind ganz anders. Ihre Entstehungsgeschichte ist zum einen an eine liebe Freundin gebunden, die als wirklich ganz große Dame der Aromatherapie in Deutschland ein sehr stilles und sehr zurückgezogenes Leben in Potsdam führt und die mich immer wieder daran erinnert, die natürlichen Bestandteile nicht zu vergessen, zu nutzen und zu lieben – mein neuster und gerade in Arbeit befindlicher Duft EAU DE FROEHLICHE (ein süßer Weihrauch mit einer schokoladigen Tonkanote) wird sich diesem Thema wieder verstärkt widmen. Und dann ist da noch ein Freund, der als Parfumeur in Berlin arbeitet und den ich (so unsere Abmachung) nicht nenne, nicht nennen möchte und nicht nennen soll. Er ist zugleich der größte Kritiker meiner Arbeiten und er war es letzten Endes, der mir mit vielen Anregungen aus der Welt der Chemicals gänzlich neue Wege eröffnete. Nicht zu vergessen der liebe Stephan, der mich mit seiner fast unerschöpflichen Rohstoffkenntnis immer wieder auf neue Ideen bringt. Aus dieser fachlichen Mischung heraus, aus diesem Spannungsverhältnis zwischen traditioneller Aromatherapie und moderner Parfumerie, entstand die Idee zu meinen eigenen Düften, die vor zwei Jahren mit dem August begann. Dabei bezeichnen die Monatsnamen die Anzahl der verwendeten Inhaltsstoffe.

Minimalistisch bewege ich mich im Moment also zwischen den Zahlen 8 (2008/ August/ Iso e Super & Mandarine), 7 (2009/ Juli/ Grapefruit, Feige & Vetyver), 9 (2010/ September/ Citrus und Javanol). Die 1 wird es natürlich nicht geben, weil das nicht meine Idee war und solche großartigen Dinge darf man nicht kopieren. Zumal mir das peinlich und unangenehm wäre. Trotzdem versuche ich so sparsam wie möglich zu arbeiten. Dabei werden die Düfte nur in wirklich kleinen Mengen hergestellt und spätestens nach der ersten Wiederholung veröffentliche ich in wesentlichen Teilen das Rezept in meinem Blog. Auch wenn das Leuten wie Andy Tauer in der Seele weh tut (bei ihm findet sich auch eine Besprechung meines Juli/ No. 7).

Essenza Nobile:

Natur oder Synthetik? In wie weit kann man, deiner Meinung nach, heute bei der Erstellung von Düften noch auf tatsächliche Naturrohstoffe zurückgreifen? Wie schätzt du das durchschnittliche Verhältnis von Natur und Synthetikrohstoffen in Nischendüften und Konsumdüften ein?

Erik Kormann:

An der Frage, ob ein Duft nun synthetisch oder natürlich komponiert wurde, scheiden sich die Geister und häufig entbrennt ein fachlich nur wenig interessanter Streit über dem Thema. Zum einen muß ein natürlicher Duft nicht automatisch aus rein natürlichen Rohstoffen bestehen, weil Natürlichkeit nur die nach außen hin wahrnehmbare Wirkung beschreibt: Der Duft wirkt natürlich. Und zum anderen verbirgt sich hinter dieser Streitfrage jene häufig anzutreffende Meinung, nach der natürliche Rohstoffe automatisch besser verträglich wären und natürlich besser riechen, während synthetische Riechstoffe qua Herkunft schlecht und gefährlich sind. Beides ist falsch und zudem langweilig.

Die Liste der zu nennenden Allergene ist bei den natürlichen Rohstoffen nicht unbedingt kürzer – oft ist das Gegenteil der Fall – und viele Chemicals sind schon für sich genommen kleine olfaktorische Kunstwerke - so wie viele ätherische Öle auch. Nur haben die wenigsten Menschen leider keine Vorstellung von den einzelnen synthetischen Riechstoffen (sicher mangels Gelegenheit) und die Erwartungshaltung bei natürlichen Ölen ist oft übertrieben hoch. Frangipani ist dafür ein gutes Beispiel. Parfums gleichen Namens sind selten und häufig recht kostbar. Die Blüte des Frangipanibaums duftet himmlisch und wer für sich ein passendes Parfum gefunden hat, was die schönsten Urlaubserinnerungen wieder in Gedächtnis ruft, der möchte seinen Freundinnen und Freunden natürlich sagen können, wie wunderbar natürlich und echt die Mischung ist. Mein Tipp wäre, sich mal eine kleine Menge echtes Frangipani-Öl zu kaufen. Das ist ernüchternd! Man muß nämlich wissen, daß nicht jedes ätherische Öl automatisch so gut riecht wie die Pflanze, oder der Pflanzenteil, aus dem es gewonnen wurde.

Die meisten der mir bekannten Nischendüfte werben mit Natürlichkeit. Oder werden von Kundinnen und Kunden so beschrieben. Doch mir fallen nur wenige Marken ein, die zu 100% aus natürlichen Ölen bestehen und wo dieses Versprechen auf der Packung den Kundinnen und Kunden garantiert wird. Im Grunde genommen wird es, so meine Vermutung, bei den Nischendüften nicht viel anders sein als beim gehobenen Kaufhaussortiment. Mir sind zwar keine Zahlen über prozentuale Anteile bekannt, doch ich schätze den Anteil der natürlichen Bestandteile auf 5 bis 10%. Aber das sind wirklich nur Vermutungen! Allerdings können viele natürliche Rohstoffe in einem Duft durchaus Probleme machen. Sie färben stark, einige sind klebrig und man hat Schwierigkeiten mit der Viskosität, manche verändern sich sehr stark, andere sind Phototoxisch weil sie Furocoumarine enthalten (z.B. Bergamotte-Öl) und einige sind kaum haltbar.

Trotzdem arbeite ich natürlich sehr gern mit ätherischen Ölen, Harzen und Balsamen und ich betrachte die Arbeit mit solchen Rohstoffen zudem als kleine Herausforderung, weil ich als Hobbyparfumeur nicht ansatzweise die Möglichkeiten der Industrie habe und am Ende trotzdem zu handwerklich sauberen Düfte komme, kommen kann. Doch ohne Chemicals würde ich mich langweilen und mir viele Möglichkeiten verstellen. Ich sehe diese Verbindung als absolute Bereicherung und ich würde behaupten wollen, daß neue Kreationen nur deshalb überhaupt noch möglich sind.

Essenza Nobile:

Das bedeutet ja, dass "reine Naturdüfte" nicht unbedingt besser verträglich wären und oftmals sogar nachteilige Eigenschaften mit sich bringen. Nach dem Lesen deiner Antwort erscheint mir dies wie ein weitläufig verbreiteter Irrglaube, dem ich selbst auch erlegen bin / war. Du steigst hier ja schon etwas in die Materie der Duftherstellung ein. Wie geht eine solche Komposition eigentlich vor sich, welche Arbeitsschritte sind notwendig, bis man zu dem Punkt gelangt an dem ein Parfum entsteht?

Erik Kormann:

Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz einfach, weil ich nur aus meinem kleinen Horizont berichten kann. Aber eins ist mal klar … Natur ist nicht gleich automatisch besser und gesünder. Folgendes würde ich unterschreiben:

Die Frage, ob ein Duft, der zu 100% nur aus natürlichen Stoffen besteht nun besser oder schlechter verträglich ist als ein Duft, welcher aus Chemicals und natürlich Riechstoffen komponiert wurde, kann ich nicht allgemein beantworten. Zum einen enthalten die meisten natürlichen Duftstoffe eine ganze Reihe von Allergenen und zum anderen habe ich von den Nebenwirkungen – welche auch den verschiedensten Chemicals nachgesagt werden – einfach keine Ahnung. Trotzdem käme ich nie auf die Idee, einfach zu glauben, daß Natur automatisch gut verträglich und Chemie natürlich schlecht und ungesund ist. Eine ganze Reihe von ätherischen Ölen ist ausgesprochen reizend und unter Umständen sogar gefährlich. Das erkläre ich meinen Kundinnen und Kunden immer wieder neu.

Richtig ist natürlich, daß in der Mischung und Verdünnung eines Parfums mögliche negative Wirkungen deutlich geringer ausfallen. Wer aber auf Nummer sicher gehen möchte, dem empfehle ich sofort, den Duft – egal bei welchem Inhalt – nur auf der Kleidung und in den Haaren zu tragen. Das hat außerdem den Vorteil, daß sich das Parfum auf dem neutraleren Medium der Kleidung zum einen oft besser entwickelt, häufig länger hält und seine Nuancen so entfaltet, wie es sich der Parfumeur vorgestellt hat.

Wie man ein Parfum selber herstellen kann, ist leider nicht in knappen Sätzen zu beantworten. Die Arbeit beginnt bei mir im Kopf und dann fange ich an, die Vorstellungen praktisch umzusetzen. Als ersten Schritt schaue ich mir die Eigenschaften der Duftstoffe an, mit denen ich vorhabe zu arbeiten. D.h., ich tauche Papierstreifen in die Riechstoffe und mache mir Notizen zur Haltbarkeit und Entwicklung der einzelnen Stoffe. Anschließend lege ich diese Papierstreifen in kleine Plastikdosen, weil ich so einen Eindruck von der künftigen Mischung erhalten. Danach überlege ich, welches Lösungsmittel ich für welchen Rohstoff benötige und ob ich mir vielleicht von einigen Rohstoffen vorher lieber Stammlösungen anfertige. So muß man z.B. die kristallinen Rohstoffe wie Coumarin (z.B. für Tonkanoten) in DPG (Dipropylene glycol) im Wasserbad auflösen. Manche Balsame setze ich doch lieber in Ethanol an und häufig filtere ich diese Tinkturen schon bevor ich sie in der Mischung einsetze und von vielen Duftstoffen mache ich mir vorher in DPG Verdünnungen. Anschließend taste ich mich langsam mit kleinen Mischungen an meine Vorstellung heran, dann wird das Rezept auf 1000g berechnet, es folgt ein großer Ansatz Duftöl, der wird mit Ethanol aufgefüllt, es kommt Wasser dazu, bevor gefiltert wird muß die Mischung für 10 Tage in den Tiefkühler – wo sich einige unlösliche Stoffe absetzen - und zum Schluß wird dekantiert und abgefüllt.

Mehr würde zu dieser Frage zwar noch viel mehr einfallen. Aber für eine Kurzfassung sollte dies hier ausreichen.

Essenza Nobile:

Wo wir gerade bei dem Thema sind... Was hält ein Duftafficionado wie du einer Duftserie wie Escentric Molecules? Diese stellen ja eine synthetische Duftnote ins Spotlight - bzw. verwenden einen Duftstoff (Molecule 01, 02 und 03) - sogar als einzige Note.

Erik Kormann:

Ich halte die ESCENTRIC Düfte für die größten Parfumkunstwerke überhaupt. Mir gefällt die Idee, die bis heute absolut revolutionär und einzigartig ist. Die ESCENTRICS sind wunderbar komponiert und die MOLECULES zeigen, was mit synthetischen Riechstoffen machbar ist. Diese Form der Reduzierung ist grandios. Mehr kann ich dazu gar nicht sagen.

Essenza Nobile:

Jetzt einmal unter uns Männern: Du beschäftigst dich ja auch mit dem Thema Nassrasur. Ein Thema das mich persönlich plagt wie kein Zweites. Rötungen, Reizungen und oftmals ein stundenlanges Jucken in der Gesichtshaut - dieses Drama spielt sich jeden zweiten Morgen in meinem Badezimmer ab. Erik, wir brauchen deine Tipps!

Erik Kormann:

Die Frage klingt einfach, ist es aber nicht. Trotzdem will ich es mal versuchen:
Männer die sich rasieren möchten haben im Grunde genommen nur die Möglichkeit zwischen Trocken- und Naßrasur zu wählen und gerade um letztere Variante wird ein großes Brimborium gemacht. Da treten Traditionalisten, bewaffnet mit Hobeln und Messern, unzähligen Pinseln und Rasierseifen, gegen Dosenschaumbenutzer mit Wegwerfrasierern an. Glaubenskriege werden ausgetragen über der Frage, was die beste und richtige Art der Naßrasur sei. Die Antwort ist ziemlich einfach: Manche Dinge muß man einfach selber ausprobieren und man braucht schon etwas Zeit dazu.

Dosenschaumbenutzern - die nicht ganz zufrieden sind - empfehle ich für einen weiteren Naß-Versuch mal Pinsel und Seife, weil Seifen immer alkalisch sind (das sind leider nur sehr wenige Dosen) und die stärkere Einweichwirkung macht sich oft positiv bemerkbar. Während ich traditionellen Naßrasierern, also jenen, die ihren Rasierschaum bereits selber herstellen, den Wechsel der Rasierer empfehle und frage, wie der Schaum so aussieht. Manchmal langt es schon, wenn man einfach verschiedene Rasierseifen oder Rasiercremes ausprobiert und der Umstieg auf einen altmodischen Hobel, also einen Rasierer mit Flachbandklingen, wie ihn schon die Großväter nutzten, kann kleine Wunder bewirken. Die Teile sind nämlich nicht ganz so gründlich und schneiden das Haar wirklich nur auf der Oberfläche ab, während es bei vielen modernen Systemrasierern ein Stück herausgezogen wird, bevor die Klingen es kappen. Anschließend rutscht das Haar in den Haarkanal zurück und die Folge sind häufig kleine Pickelchen, weil sich der Haarkanal entzündet hat oder das Haar unter der Haut etwas einwächst.

Hilft das alles nicht, bleibt eigentlich nur der Langhaarschneider, der immer etwas Haar stehenläßt. Trotzdem habe ich die Erfahrung gemacht, daß es häufig an der Qualität des selber erstellten Rasierschaums liegt. Die meisten Männer meinen wohl, daß sie alleine durch ihr Geschlecht als Schaumschläger qualifiziert sind. Letzteres stimmt zwar oft, bringt aber keine Punkte im Badezimmer. Ich halte es da mit James Joyce, der auf den letzten Seiten des Olysses beschreibt, wie man sich gut rasieren kann: Abends und in aller Ruhe.

[caption id="attachment_2053" align="aligncenter" width="186"]Erik Kormann rasiert sich am liebsten abends und in aller Ruhe Erik Kormann rasiert sich am liebsten abends und in aller Ruhe[/caption]

Ein guter, selbstgemachter Rasierschaum ist dick und fest wie Eischnee und er sollte auf der vorher angefeuchteten Gesichtshaut gut zwei Minuten einwirken können. Anschließend wird mit wenigen Strichen und ohne großen Druck rasiert; man muß auch nicht mehrfach über eine Stelle drüberfahren, weil das nur zusätzlich reizt. Danach sollte man eine dem Hauttyp entsprechende Pflege auftragen und die Finger aus dem Gesicht nehmen.

Zu Pflege ist noch anzumerken, daß viele Männer meinen, sie wären ja superempfindlich, hätten Haut so trocken wie die Wüste und bräuchten eigentlich Pflege auf Rezept. Der fetteste Balsam ist diesen Herren gerade gut genug und am Ende wundern sie sich, weil immer irgend etwas nicht stimmt. Merke: Man kann sich auch zu viel draufschmieren.

Essenza Nobile:

Danke für diese ausführliche und horizonterweiternde Antwort! Ich höre es das erste Mal, dass es Menschen gibt, die Ihre Rasierschaum selbst herstellen. Eine weitere Frage die sich viele Männer, die ein tägliches Pflegeprogramm absolvieren, stellen ist ja die der Reihenfolge. Viele Männer beginnen mit der Reinigung der Gesichtshaut (u.A. mit einem Cleanser), profilieren sich dann als Schaumschläger des Badezimmers, wie du es so schön formuliertest, rasieren sich dann und verwenden anschließend ein After Shave oder eine Lotion / einen Balm. Unsicherheiten entstehen dann bei der Verwendung der Tagescreme / Nachtcreme zur Hautpflege, da die Poren ja noch mit dem Balm zugekleistert sind. Gibt es eine spezielle Pflegereihenfolge für Herren die du empfiehlst?

Erik Kormann:

1.Ich halte diese ganze aufgeblasene Zeremonie um das Ritual der Naßrasur für blanken Quatsch und teilweise auch für Geldschneiderei. Ich rasiere mich wirklich sehr gerne. Doch es ist weniger die Wahl der Mittel, als die Art und Weise.
2.Kein Mann braucht 20 und mehr Rasiermesser, Hobel und tausende Klingen.
3.Man kann natürlich auch Rasierpinsel sammeln – habe selber fünf Stück.
4.Die Auswahl an verschiedenen Rasierseifen und After Shave Produkten ist ein kleiner Luxus, der nicht unbedingt teuer sein muß.
5.Tagescreme? Ist bei mir ein guter As Balm/ bzw. ein gutes Gel. Fertig. Inzwischen meinen auch viele Männer, daß sie suuuuper empfindlich sind und ihre Haut ganz besooondere Pflege braucht. Pflege, die es eigentlich noch gar nicht geben kann. Suuuuper trocken die Haut und eigentlich verträgt der Herr ja leider gar nichts und der letzte Balm wäre ja überhaupt nicht eingezogen (PUNKT). Meine Antwort: Wenn ein Balm nicht mehr einzieht, dann würde ich den weglassen und mal was nehmen, was nicht so fett ist. Der Herr ist nicht suuuuper empfindlich, der Herr ist nur eine SuuuuperMimose.
6.Nachtcreme? Will ich nicht, brauche ich nicht. Kann ich nichts zu sagen.
7.Reinigung? Wasser, Wasser – so wie es Erno Laszlo empfiehlt (das ist ein guter Tip) – und Seife.
8.Wann rasiert man sich perfekt? Ganz einfach … in aller Ruhe, nach einer heißen Dusche.
9.Ein letztes Wort zu diesem Thema: Naßrasur ist besser als gar kein Hobby.

Ich benötige für eine gute Naßrasur nicht sehr viel. Etwas Ruhe und Muße, ein Stück Seife zur Reinigung des Gesichts, warmes Wasser, eine gute, richtige Rasierseife die einen stabilen Schaum ergibt, einen Rasierpinsel, ein Rasierwerkzeug (egal ob Messer, Hobel mit Flachbandklingen oder Systemrasierer wie z.B. Mach3) und danach etwas Pflege, meinem Hauttyp entsprechend. Der Preis der einzelnen Produkte sagt dabei nichts, aber auch rein gar nichts über das Ergebnis und wie ich mich fühle aus.
Es gibt von Bert Brecht ein wunderbares Gedicht, was meine Gedanken zu diesem Thema gut ergänzt, weil die traditionelle Naßrasur für mich nur sehr wenig mit Geld, sondern vielmehr mit meinem Wohlbefinden zu tun hat.

VERGNÜGUNGEN
Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen
Das wiedergefundene alte Buch
Begeisterte Gesichter
Schnee, der Wechsel der Jahreszeiten
Die Zeitung
Der Hund (für mich die Katzen)
Die Dialektik
Duschen, Schwimmen
Alte Musik
Bequeme Schuhe
Begreifen
Neue Musik
Schreiben, Pflanzen
Reisen
Singen
Freundlich sein.

(Bertold Brecht)

Zwar kommt das Wort Naßrasur hier leider nicht vor. Doch im Grunde genommen könnte man es leicht einsetzen. Brecht war übrigens Naßrasierer.

Essenza Nobile:

Du betreibst ja auch einen wunderschönen Seifenladen in Berlin. Da schießen mir persönlich sofort Bilder aus dem Film "Fight Club" ins Gedächtnis. Wie werden Seifen denn heute tatsächlich hergestellt und worin liegt der Unterschied zwischen einer deinen -recht ursprünglich hergestellten- Seifen und dem normalen Seifenstück im Drogeriemarkt? Und hattest du bereits Gelegenheit die Sea Mud Seife von Erno Laszlo zu testen?

[caption id="attachment_2042" align="aligncenter" width="336"] Bietet weit mehr als nur ein wunderschönes Logo: Der 1000 & 1 Seifenshop[/caption]

Erik Kormann:

Seifen, egal woher sie kommen und welchen Preis sie haben, bestehen im wesentlichen aus zwei Dingen. Auf der einen Seite hat man den organischen Teil, also pflanzliche und/ oder tierische Fette und auf der anderen Seite das Natrium Hydroxid, die anorganische, basische (alkalische) Lauge. Um gleich mit zwei ganz großen Mißverständnissen aufzuräumen sage ich hier mal dazu, daß man Erdöl nicht verseifen kann, weil da nichts ist, was sich verseifen ließe und Knochen werden auch nicht in die Seife getan. Man hat früher nur die Knochen abgekocht, weil man das Fett benötigte. Also Fett und Lauge. Der Rest sind Zusatzstoffe, die bei der Verseifung keine große Rolle spielen und über deren Wirkung und Nutzen man streiten kann, weil Seifen als Abwaschprodukt nur wenige Augenblicke auf der Haut verbleiben.

Im Gegensatz zum Kaltprozeß der Handarbeit – Verseifung bei 40 Grad – werden in der Industrie Fette und Lauge in großen Kesseln regelrecht miteinander verkocht. Oft wird dabei Wasserdampf unter großem Druck in die Kesser geblasen und moderne Anlagen bieten die Möglichkeit der Sprühverseifung. Doch der wichtigste Unterschied ist nicht unbedingt der chemische Prozeß der Verseifung, sondern der Moment der Feinseifenherstellung - die Pilliermaschine. Diese kann man sich als einen großen Trichter vorstellen, wo oben die Grundseife reinkommt, der zugleich wie ein riesiger Fleischwolf arbeitet. Die bereits fertige Seife (eine Art Grundseife/ Seifenrohmasse, die häufig aussieht wie Seifennudeln/ Spirelli) wird darin zu Brei zermalmt, gleichzeitig auf ca. 60 Grad erwärmt, gefärbt, parfumiert und mit einer vielleicht edlen Überfettung versehen. Anschließend geht es in die Presse und fertig ist die Seife. Viele Seifenhersteller nutzen nur noch die Pilliermaschine und verseifen gar nicht mehr selber, weil man sich diese vorgefertigte Seifenrohlinge in Form von Seifennudeln liefern lassen kann. Da hat man dann z.B. Seifennudeln aus Olivenöl, aus Kokosfett und Palmfett und die kippt man in die Pilliermaschine. Qualitativ könnte man diese Seifenrohlinge vielleicht mit einer Kernseife vergleichen.

Die Veredelung – und damit aus heutiger Sicht der wichtige Teil der Herstellung – findet in dieser Pilliermaschine statt. Ein gutes Bsp. dafür ist die Fabrik von Fragonard in Grasse, wo dem Besucher auch die Seifenproduktion gezeigt wird. Da liegen die Säcke mit Seifennudel, aus denen in einer recht kleinen Pilliermaschine die schönen, halben Zitronen entstehen. Von der eigentlichen Verseifung aus Fett und Lauge sieht man nichts und man käme dort auch nie auf die Idee, daß dieser Teil von Bedeutung wäre. Es geht um die Veredelung – um die Form, die Farbe und den Duft. Es gibt natürlich heute noch Fabriken in denen beide Arbeitsschritte durchgeführt werden, doch die Pilliermaschine ist ein neben den großen Kesseln und der hohen Temperatur ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen industrieller Massenproduktion und Handarbeit.

Kaltgerührte Seifen durchlaufen einen anderen Produktionsweg. Häufig sind die hergestellten Mengen recht klein, Handarbeit spielt eine große Rolle und die Auswahl der eingesetzten fetten Rohstoffe scheint unbegrenzt. Natürlich haben auch industrielle Großhersteller viele Fettrohstoffe zur Auswahl und fast jedes verseifbare Fett wird inzwischen in Form von Seifenrohmasse/ Seifennudeln für die Pilliermaschine angeboten. Doch die Möglichkeiten der Kombination werden nur bei der Handarbeit richtig ausgeschöpft und wenn es um die Frage der Überfettung, der rückfettenden Pflegewirkung von Seifen geht, haben in Handarbeit hergestellte Seifen oft die Nase weit vorn, weil sich industrielle Massenproduktion mit hohen Lagerbeständen und Lagerzeiten eine solche Überfettung gar nicht erlauben könnte. Handgemachte Seifen sind fast immer viel rückfettender. In handgemachten Seifen finden sich viel weniger Begleitstoffe wir z.B. EDTA. Bei der Herstellung handgemachter Seifen werden viel häufiger und in größeren Mengen hochwertige Rohstoffe eingesetzt. Das muß nicht in jedem Fall so sein und es gibt eine ganze Reihe von hochwertigen Seifen aus Massenproduktion. Nur die Herstellerinnen und Hersteller von handgemachten Seifen sind, was die Auswahl der Rohstoffe angeht, wirklich nicht geizig. Während die industrielle Massenproduktion meinem Kenntnisstand nach - selbst wenn sie gut und teuer ist – in der Mehrzahl aus preiswerteren Rohstoffen besteht.

Ich würde nur nicht behaupten wollen, daß Handarbeit immer und automatisch besser ist als industrielle Massenproduktion - Seifenhersteller wie ACH BRITO (CLAUS PORTO), MARIUS FABRE und TAMANOHADA und Labelproduktionen wie die von Cote Bastide und TOKYO MILK, um nur einige zu nennen, könnten dies leicht widerlegen. Aber es ist sicherlich richtig, wenn man die rückfettenden Eigenschaften von handgemachten Seifen stärker betont und die hohe Qualität der in der Masse vorhandenen Inhaltsstoffe etwas deutlicher herausstellt.

Um auf deine Frage nach Erno Laszlo zurückzukommen, muß ich gestehen, daß ich die Sea Mud nicht kenne. Allerdings habe ich schon einmal eine Seife von Erno Laszlo ausprobiert und ich bin ehrlich von der Qualität dieser Seifen begeistert. Keine Frage. Aber ich versuche so weit es geht auf solche Vergleiche zu verzichten, weil die Unterschiede oft gewaltig sind und jedes der genannten Herstellungsverfahren seine Vor- und Nachteile hat. Die Produkte, die ich selber nutze, liebe, gar herstelle, werden nun mal nicht besser, indem ich das andere kritisiere oder negativ bewerte. Zumal mir solche Urteile gar nicht zustehen.

Essenza Nobile:

Lieber Erik – Vielen lieben Dank für das tolle, ausführliche und extrem informative Interview! Ich denke, hier werden bei einigen Lesern interessante Gedanken angestoßen. Für deinen weiteren Weg wünschen wir dir alles Gute und viele tolle Ideen für deine bald noch folgenden Düfte!


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