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Ballett für die Nase: Exklusiv-Interview mit Francis Kurkdjian

19.04.2022 07:57

Francis Kurkdjian – © N. Baetens.

Er ist ein wahrer Titan der Parfumeurs-Zunft: Francis Kurkdjian, Parfumeur aus Berufung und Leidenschaft –  ein olfaktorischer Überzeugungstäter. Ob noble Parfums für prestigreiche Marken, parfümierte Seifenblasen oder fantasievolle Duft-Installationen: Alles, was mit der Welt der Düfte zu tun hat, ist für ihn Passion und Herzenssache. Francis Kurkdjian lebt und brennt für den Duft wie kaum ein zweiter in seinem Metier. Und so lesen sich sie Marken, die er bislang mit seinen Duftkreationen beliefert und bereichert hat, wie eine V.I.P.-Liste der internationalen Haute Parfumerie und Haute Couture: Christian Dior, Narciso Rodriguez, Davidoff, Elizabeth Arden, Escada, Giorgio Armani, Guerlain, Jean-Paul Gaultier, Joop, Kenzo, Lancaster, Lancome, Versace, Yves Saint Laurent… um nur einige wenige zu nennen.

Und auch für so manchen unserer „Duft-Lieblinge“ aus dem Essenza-Nobile-Shop „Lady Vengeance“ und „Miss Charming“ von Juliette Has a Gun zeichnet kein Geringerer als Star-Nase Francis Kurkdjian verantwortlich. Erst vor zwei Jahren wurde ihm der französische Ehrentitel „Chevalier des Artes et des Lettres“ verliehen – für sein Lebenswerk. Der Mann ist 42 … Bei so viel überbordendem Talent und Ideenreichtum ist es fast schon schade, dass der große Name des Kreateurs, der hinter so vielen Erfolgsdüften steckt, zumeist dezent im Hintergrund bleibt, und somit kaum irgendwo Francis Kurkdjian drauf steht, wo Francis Kurkdjian drin ist. Dachte sich vielleicht auch Francis Kurkdjian – und gründete 2009 sein eigenes Label namens Maison Francis Kurkdjian.

Erlesene Köstlichkeiten und kostbare Schätze aus der kurkdjianschen Düfte-Küche wie Aqua Universalis, Baccarat Rouge 540 oder Grand Soir werden auf diesem Wege fortan unter dem Namen des Parfum-Meisters persönlich präsentiert. Der allerneueste Geniestreich von Maison Francis Kurkdjian ist das kürzlich erschienene Eau de Parfum „Aqua Universalis forte“. Nachdem im April bereits die VOGUE ein Interview mit dem französischen Edel-Parfumeur eigens aus Anlass der Lancierung seines neuen Duftes führte, wollten auch wir nicht länger bescheiden hintan stehen, und baten kurzerhand in Paris um eine Audienz – die uns dann auch alsbald gewährt wurde. Im ausführlichen Exklusiv-Interview mit Essenza Nobile verrät Francis Kurkdjian viel Persönliches über seine erfüllte Kindheit in einer Vorstadt von Paris, zerplatzte Träume von einer Karriere als Ballett-Tänzer, die Initialzündung zu „Aqua Universalis forte“ in Süditalien – und erzählt, wie er mehr als 200 Jahre nach ihrem tragischen Ende das Parfum von Marie Antoinette wiederauferstehen ließ…

Aqua Universalis forteEssenza Nobile: Kürzlich erschien in Deutschland Aqua Universalis forte, die Eau de Parfum-Version Ihres Erfolgsduftes Aqua Universalis. Was hat sich gegenüber der Eau de Toilette-Variante geändert, was erwartet den Parfum-Liebhaber mit Aqua Universalis forte?

Francis Kurkdjian: Die olfaktorische Komposition trägt die selben „sonnigen“, sauberen und strahlend-hellen Emotionen in sich, fügt aber dem Zitrus-Charme und den weißen Blumen des „klassischen“ Aqua Universalis Erinnerung, Funkeln und Intensität hinzu. Die Kreation von Aqua Universalis forte geht zurück auf eine Begegnung mit meinem Zitrus-Lieferanten im süditalienischen Kalabrien. Dabei wurde mir eine neue Qualität von Bergamotte präsentiert, die mich durch ihre Frische und ihren langanhaltenden Charakter verblüffte. Es war ein wirklich ganz neuer Gütegrad mit Facetten, die ich so nie zuvor gerochen oder erlebt hatte. Als ich zurück in Paris war, wollte ich dieses neue Produkt ausprobieren. In solchen Fällen nehme ich eine bereits vorhandene Formel, teste damit den Rohstoff, den ich ausprobieren möchte, und vergleiche es mit der Original-Formel. Dies erlaubt es mir, die Unterschiede zu riechen und zu beurteilen, ob es das Produkt wert ist, in die Düftepalette meines Laboratoriums aufgenommen zu werden. In diesem Fall spürte ich sofort, dass ich etwas wirklich Gutes unter meiner Nase hatte. Ich begann einige wenige Dinge in der Formel zu verändern, um die Vibration der Bergamotte zu glätten, indem ich einen Hauch von purem Rosen- und Jasminöl hinzu gab. Schließlich erhöhte ich das Maß an Duftöl, so dass es so konzentriert war wie in einem reinen Parfum. In gewisser Weise wollte ich ein Likör aus Wasser haben… Ich stellte mein Werk meinem Team in Paris vor; sie alle liebten es und fanden, es wäre toll, wenn wir dieses Produkt mit unseren Kunden und Freunden teilen würden. Für das erste Jahr konnten wir aufgrund der begrenzten Menge an Bergamotten-Öl, die wir bekommen konnten, nur 2000 Flakons produzieren. Wir haben für die kommenden Jahre die Verfügbarkeit des Produkts sichergestellt, da wir eine große Nachfrage erwarten. Der Endverbraucher kann nun sogar noch stärker experimentieren, mehr auf der floralen Seite. Es bietet gleichfalls eine Möglichkeit, einen frischen Duft am Abend zu tragen, während die Konvention ja von uns verlangt, etwas dunkleres oder süßeres zu tragen. Mit Aqua Universalis forte hat man die Gewissheit, einen eleganten und verwegen frischen Duft zu haben, der zugleich sehr sexy ist…

Essenza Nobile: Von keinem anderen Ihrer Düfte gibt es so viele Varianten wie von Aqua Universalis: Eau de Toilette, Eau de Parfum, Duftkerzen, Brennpapier… sogar Waschmittel und Weichspüler ist mit dem Duft von Aqua Universalis erhältlich. Was macht für Sie den besonderen Zauber von Aqua Universalis aus, dass dieser Duft so im Mittelpunkt Ihres Schaffens und der Produktpalette von Maison Francis Kurkdjian steht?

Francis Kurkdjian: Aqua Universalis vereinigt in sich ein seltenes Spektrum an Eigenschaften: Frisch, clean, sexy und lang andauernd – das sind Werte, die zu kombinieren in dieser Form doch sehr außergewöhnlich ist. Es steckt eine Menge Kunstfertigkeit in diesem Duft, aber auch die technische Seite ist sehr bedeutsam, um die Stärke und Kraft zu erzielen, die jeder erwartet. Düfte wie diesen gibt es nicht viele auf dem Markt. Gleichzeitig ist es ein ganz einzigartiger Akkord; diese Mischung aus Zitrusnoten mit frisch erblühten Blumen ist, wenn sie kombiniert wird mit der Geschmeidigkeit von Amber und Moschus, nicht gerade sehr gewöhnlich; es dreht sich alles um Ausgewogenheit und Balance. Und was den Zauber von Aqua Universalis ausmacht ist die Tatsache, dass der Duft universelle Werte und Gefühle transportiert. Sein Name ist davon inspiriert. Ich wollte eine neue Generation von Eau de Cologne kreieren, etwas, das großzügig geteilt werden kann – nicht nur physisch, sondern gleichfalls auch auf emotionaler Ebene. Ich schätze, unsere Kundinnen und Kunden spüren all das, und das ist der Grund, warum die Reaktionen und der Erfolg so überwältigend sind.

Essenza Nobile: Vergleicht man die Produktpalette von Maison Francis Kurkdjian mit der anderer Parfumhersteller, fällt auf, dass Ihre Produkte für Parfümerieware außergewöhnlich vielfältig sind; neben den klassischen Eaux de Toilette und Eaux de Parfum gibt es etwa Incense-Papier, Waschmittel, Weichspüler, Duftkerzen, Seifenblasen… und nun sogar – mit „Tour Atour“ – ein parfümiertes Lederarmband! Welcher Gedanke, welche Idee steckt hinter diesem ungewöhnlichen Sortiment?

Francis Kurkdjian: Ich bin sehr froh, dass Sie diese Unterschiede bemerkt haben; ich pflege ja immer zu sagen, dass ich der „Maker and Baker“ („Macher und Bäcker“, d. Red.) bin (lacht). Diese Produkte zeigen ganz offen, dass ich derjenige bin, der hinter der Magie der Kreation jedes einzelnen Produktes, jedes einzelnen Duftes steckt. Ich komme weder von einer Marketing-Schule noch bin ich der Erbe einer Dynastie oder ein Star, der beschlossen hat, Zeit zu sparen und Geld damit zu verdienen, Düfte auf den Markt zu bringen. Ich entschied mich im Alter von 15 Jahren, Parfumeur zu werden. Es ist nichts, was sich durch Zufall ergeben hat, über Nacht kam, oder aber durch Erbschaft. Ich wollte es. Ich bin jetzt 42, und so denke ich, dass ich für die Parfumkunst nun schon fast 30 Jahre lang gelebt habe. Ich unterrichte die Parfumeurskunst an der Parfumschule in Versailles, halte Vorlesungen und gebe Meisterkurse. Man muss außerdem auch seinen Emotionen Nahrung geben – Musik hören, Filme und Ausstellungen besuchen… alles, was deine Seele öffnet und dich fördert. Das ist es, wie ich mein Leben sehe, und alle Produkte die ich geschaffen habe, wurden dadurch inspiriert.

Essenza Nobile: Neben Ihren berühmten Duftkreationen für die großen Parfummarken dieser Welt sind Sie bekannt für eine besonders exklusive Parfum-Variante: Signaturdüfte – speziell auf die Persönlichkeit der Parfumträger zugeschnittene, maßangefertigte Düfte. Im April gaben Sie in der britischen „Vogue“ zu Protokoll, dass Sie am liebsten der – seinerzeit noch als Kate Middleton bekannten – neuen Herzogin von Cambridge  einen Signaturduft auf den Leib schneidern würden. Klingt ja verdächtig nach einem tollen Angebot! Gab es womöglich schon eine offizielle Reaktion aus dem britischen Königshaus? Francis Kurkdjian: In meinen Gedanken ist Aqua Universalis forte ein erster Entwurf dessen, was der Duft der nun neuen Herzogin von Cambridge sein könnte. Was die Offenlegung von Namen meiner Kundschaft für maßangefertigte Düfte betrifft, werden Sie aber niemals einen Kommentar hierzu von mir erhalten. Die Geheimhaltung meiner Klienten ist ebenso wichtig wie die meiner Formeln! (lacht)

Marie Antoinette

Marie Antoinette mit Rose – Gemälde von Élisabeth Vigée-Lebrun, 1783

Essenza Nobile: Royale Düfte scheinen überhaupt ein großes Thema für Sie zu sein; so haben Sie etwa vor wenigen Jahren versucht, unter Mitwirkung von Historikern den Duft der französischen Königin Marie Antoinette zu rekonstruieren – das Ergebnis war “MA Sillage de la Reine”, ein kostbarer Duft mit Noten von Iris, Rose, Jasmin, Orangenblüten, Zedern- und Sandelholz. Wie schwierig war es für Sie, dieses Parfum zu rekonstruieren, und wie gingen Sie bei diesem Projekt vor?

Francis Kurkdjian: Alles begann damit, dass ich 2003 eine Historien-Spezialistin für Parfums namens Elisabeth de Feydeau traf. Sie war dabei, eine Biografie über Jean Louis Fargeon, einen von Marie Antoinettes Parfumeuren, zu schreiben. Meine Arbeit mit maßgeschneiderten Düften war die Gelegenheit, einen Duft wiederzuerschaffen, den Marie Antoinette getragen haben könnte. Wir kannten die geschmackliche Vorliebe der Königin für Blumen, speziell Rosen und Iris. Es war uns auch bekannt, dass die Königin den Duft frisch geschnitter Blumen liebte, fast schon im Gegensatz zu den schweren moschusartigen und amberigen Düften, die allgemein im 18. Jahrhundert verwendet wurden. Während ich mir die Formeln des Parfumeurs Fargeon durchlas, wurde mir klar, dass ich einen Duft in dieser Weise komponieren könnte, indem ich nur einzigartige natürliche Rohstoffe verwende. Die Ergebnisse der ersten Formeln waren überraschend, mit einem Geruch, der viel zu stark war für unsere 21.-Jahrhundert-Nasen.

Doch Schritt für Schritt, inspiriert von dem Garten und dem Feingefühl dieser Frau, wurde das Parfum dann geboren. Die Königin von Frankreich, aus Österreich stammend, aß gekochtes Gemüse und Fleisch, nahm täglich ein Bad, ritt Pferde. Sie war froh, außerhalb des “cour” (Hofes) zu sein, in ihrem kleinen Paradies – entweder beim Trianon oder später im Le Hameau, mit ihren Blumen und Tieren, wo sie in der Art einer Bäuerin lebte. Das war wahrlich ein skandalöses Benehmen für die damalige Zeit: Die Königin von Frankreich, immerhin eines der mächtigsten und einflussreichsten Länder Europas, lebte wie eine Bauernfrau! Sie war außerhalb von allem, und das wies mir die Richtung bei der Kreation von “MA Sillage de la Reine”. Das Schwierigste an der Sache war aber, sich mit einer Person zu “unterhalten”, die es schon seit 200 Jahren nicht mehr gibt! Ich fand eine große Hilfe für das Verständnis von Marie Antoinettes Leben in Stefan Zweigs Biografie der Königin, und im Lesen des Buches von Frau Frezer, die Sofia Coppola zu ihrem Film über die späte Königin inspiriert hat.

Es gab definitiv ein Marie-Antoinette-Momentum zu dieser Zeit. Ich fand dies sehr gut dokumentiert, voller Details aus ihrem Leben… Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, einen Duft so zu komponieren, dass dabei die Regeln der Duftkreation und –komposition des 18. Jahrhunderts respektiert, und diese gleichzeitig in Harmonie zu den Duftgewohnheiten unserer Zeit gebracht werden.

Essenza Nobile: Sie haben die Persönlichkeit von Marie Antoinette eingehend studiert. Stellen Sie sich vor, Sie wären der Hofparfumeur der französischen Königin gewesen und es hätte sich Ihnen die Herausforderung geboten, einen Signaturduft für sie zu kreieren – hätten Sie ein ähnliches Parfum für sie erschaffen wie das, das sie nun rekonstruiert haben?

Francis Kurkdjian: Vermutlich nicht. Was ich gemacht habe bei “Sillage de la Reine” war es, Informationen zu sammeln über ihren Geschmack, ihre Vorlieben und Abneigungen, und dann das Buch ihres Parfumeurs Jean Louis Fargeon zu nutzen, um mich seinem Denken und seiner Art, ein Parfum zu kreieren, anzunähern. Es gibt einen Duft heutzutage, der von Marie Antoinette inspiriert wurde – das ist der, den ich kreiert habe. Aber zur damaligen Zeit hatte sie verschiedene Parfumeure und verwendete viele Parfums über das Jahr, ja, sogar über den Tag hinweg. Also vermute ich, dass ich etwas anderes kreiert hätte. Ja, natürlich! Wissen Sie, Sie hätten mir die selbe Frage in Bezug auf alle meine Düfte stellen können. Die Kreation versinnbildlicht und kristallisiert einen Moment, eine Ära. Es ist das selbe, wie wenn ich für einen meiner Kunden ein maßangefertigtes Parfum kreiert habe. Und das ist nichts, was mir Sorgen bereitet; das gilt gleichermaßen für alle Kreateure auf allen Gebieten.

Essenza Nobile: Neben den Signaturdüften sind künstlerische Installationen, bei denen Sie sowohl olfaktorische als auch visuelle Elemente verwenden und miteinander verbinden, Ihre zweite ganz große Spezialität. Würden Sie widersprechen, wenn man Sie als den André Heller des Parfümeriewesens“ bezeichnete?

Francis Kurkdjian: Ich bin nicht sehr vertraut mit seiner Arbeit. Ich glaube Ihnen, aber ich schätze, wir alle sind doch unterschiedlich, was unsere thematischen Bezüge, unseren Stil, unsere Senitivität und unseren Hintergrund betrifft.

Essenza Nobile: Auffallend häufig kommt in Ihrem künstlerischen Schaffen das Thema „Seifenblasen“ vor… seien es Duft-Installationen mit parfümierten Seifenblasen im Grand Palais in Paris, in den Gärten von Versailles oder auf der Shanghai Expo 2010, oder aber Ihre duftende Seifenblasen-Kollektion für Kinder, „Les Bulles d’Agathe“. Spricht daraus das „Kind im Manne“ in Ihnen, oder woher rührt diese besondere Vorliebe für Seifenblasen?

Francis Kurkdjian: Zunächst möchte ich Ihre Einschätzung korrigieren, dass ich Seifenblasen sehr häufig verwende. Meine allererste künstlerische Arbeit etwa bestand in einer Beduftung des Brunnens der Orangerie von Versailles, gefolgt von der Beduftung des Bosquet des Trois Fontaines im Jahr danach und Blasen-Installationen. Ich hoffe, dass ich bei meiner nächsten Kunstinstallation Duftkerzen im Freien verwenden kann. Was die Seifenblasen betrifft, so mag ich sie, da sie Poesie und Raffinesse verströmen, sie berühren alle Menschen aus allen Bereichen und jeglichen Alters oder Empfindungsvermögens. Es ist etwas universelles an ihnen, und das ist es, was ich mag – auf beiden Feldern spielen: Düfte sind persönliche Emotionen… diese olfaktorischen Seifenblasen-Performances sind universell. Ich mag diese gegensätzlichen Konzepte.

Les Bulles d’Agathe

Essenza Nobile: Man sagt, dass Sie ursprünglich Ballett-Tänzer werden wollten, bevor Sie im Alter von 15 Ihre Liebe zum Parfum entdeckten, ist das richtig?

Francis Kurkdjian: Nicht ganz! Ich wollte ein Ballett-Tänzer werden, aber ich bin bei einem der Wettbewerbe um die Aufnahme in die Ballettschule gescheitert. Da war ich 13. Es kostete mich ein ganzes Jahr, um mich von diesem Rückschlag zu erholen. Als ich das Metier des Parfumeurs entdeckte, war mir sofort klar, dass das meine Spielwiese sein würde.

Essenza Nobile: Wie kam es, dass Sie beschlossen, Parfumeur zu werden – was war das Urerlebnis hierzu, gab es so etwas wie einen “Moment der Erleuchtung”?

Francis Kurkdjian: Sie sollten ein Interview mit meinen Eltern zu diesen Fragen führen! Ich habe keine wirklich präzise Vorstellung davon, wann ich beschloss, dass ich die Arbeit eines Parfumeurs aufnehmen würde. Was ich Ihnen dazu erzählen kann, ist folgendes: Wenn ich meine Schulfreunde aus der damaligen Zeit treffe, erinnern sie sich alle daran, dass ich laut verkündete, dass ich ein Parfumeur werden wolle. Ich wuchs in einer kleinen Stadt namens Gournay-sur-Marne am östlichen Stadtrand von Paris auf, geliebt und vergöttert von meinen Eltern und meinen Großeltern mütterlicherseits. Mein Vater arbeitete für ein großes Consulting-Unternehmen und meine Mutter führte den Haushalt. Mein Großvater war ein Schneider und meine Großmutter half ihm dabei. Ich bin meinen Eltern noch immer dankbar für die Erziehung, die ich genoss. Ich denke, dass meinen Geschwistern und mir das beste geboten wurde, das meine Eltern sich leisten konnten, uns zu geben. Zum einen hatten wir die Ausbildung von der Schule, zum anderen waren wir umgeben von Kunst, Musik und Ballett, ebenso wie von verschiedenen Sportarten. Ich lernte, Noten zu lesen und Klavier zu spielen, ging zur Ballettschule. Wir lernten Skifahren und Segeln, Rugby spielen, genau so wie auch Leichtathletik. Es ist nahezu unmöglich, das Lebensgefühl dieser Jahre zu beschreiben. Meine Eltern organisierten Kostümbälle mit Bekannten, gaben Partys für Freunde und deren Kinder. Meine Eltern haben immer meine persönlichen Entscheidungen und meine Berufswahl respektiert. Ich bin ihnen dankbar für ihre Unterstützung! Aber es war in meiner Familie nicht einmal der Schatten eines Parfumeurs am Horizont zu sehen. Ich wuchs auf mit Neugier auf alles, und entwickelte eine Liebe für das Werken. Nach einer kurzzeitigen Karriere als klassischer Ballett-Tänzer orientierte ich mich in Richtung Mode. Leider streikte mein Bleistift bei Versuchen im Bereich Design, aber die Hochglanzseiten der Modemagazine waren eine Offenbarung; in ihnen offenbarte sich mir eine unvorstellbare Pracht. Und im Alter von 15 wurde mir klar, dass ich ein Parfumeur sein würde…

Essenza Nobile: … haben Sie diese Entscheidung jemals bereut? Oder, anders gefragt: Glauben Sie, dass Sie im Ballett ähnlich weit hätten kommen können wie in der Parfumbranche?

Francis Kurkdjian: Ballett wird eine Art ewiges Bereuen in meinem Leben sein, wenn ich das so sagen kann.  Aber ich bin an der Pariser Opern-Ballett-Schule durchgefallen, als ich 13 war. Somit gibt es keinen Weg zurück. Hinzu kommt, dass ich in diesem Jahr 42 Jahre alt bin. Wäre ich ein Ballett-Tänzer, müsste ich mich zur Ruhe setzen. Ich schätze also, dass Parfum meine Bestimmung ist. Und, überhaupt: wer weiß schon, woraus die Zukunft gemacht sein wird! Essenza Nobile: Sie haben Parfums für weltberühmte Marken wie Dior, Davidoff, Escada, Guerlain, Giorgio Armani, Jean-Paul Gaultier, Narciso Rodriguez, Van Cleef & Arpels, Versace, Acqua di Parma, Yves Saint Laurent und viele andere mehr kreiert. Seit 2009 haben Sie nun Ihr eigenes Label namens Maison Francis Kurkdjian. Werden Sie auch weiterhin für andere Firmen Düfte kreieren, oder haben Sie vor, von nun an nur noch unter dem Dach ihres eigenen Hauses zu arbeiten?

Francis Kurkdjian: Ich habe gerade im vergangenen Monat “Le Parfum” auf den Markt gebracht (und somit auch kreiert), das erste Parfum des Couturiers Elie Saab. Ich brauchte mehr als ein Jahr, um den Duft zu erschaffen – einen solchen, der seine Essenz und seinen Stil einfängt, ebenso wie seine Vision von Weiblichkeit. Auf einer anderen Ebene habe ich “Zeste de Vigne” kreiert, ein Eau de Toilette für die Marke Caudalie. Ich habe außerdem auch für Kenzo und andere Firmen gearbeitet. In naher Zukunft sollte man auch noch einige weitere Kreationen für andere Marken sehen können.

Essenza Nobile: Können Sie uns zum Schluss noch verraten, woran Sie im Augenblick arbeiten? Und was wir als nächstes von Maison Francis Kurkdjian erwarten dürfen?

Francis Kurkdjian: Ich arbeite momentan gerade mit dem Künstler Yann Toma zusammen, an einer neuen olfaktorischen Installation für Mai 2012. Wir arbeiten mit dem Thema Wasser, und ich werde ein trinkbares Parfum herausbringen! Ich habe auch ein Projekt mit einer Duft-Installation in Florenz, im September. Wir haben gerade Aqua Universalis forte veröffentlicht und im Herbst habe ich eine ganze Linie von Extrait de Parfum / reinen Parfums von drei unserer bereits existierenden Düfte kreiert. Neue Formeln, neue Art und ein neues Verhältnis zum Extrait de Parfum… ich arbeite gerade an der Pressemappe hierzu, und alles sollte so bis Mitte Juli fertig sein. Zudem beginne ich mit der Arbeit an meinen nächsten Düften für Maison Francis Kurkdjian, sammle Ideen und Rohstoffe von Speziallieferanten. Aber alles, was diesen Teil betrifft, muss noch geheim bleiben, bis ich endgültig entschieden habe…

Essenza Nobile: Francis Kurkdjian, es war uns eine große Ehre und ein Vergnügen – vielen Dank für dieses sehr ausführliche und interessante Interview!

Francis Kurkdjian – © N.Baetens


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